Sonntag, 30. August 2009

Die sich in Fetzen schießen

Das ist der Titel eines alten Trashfilms aus den 70ern, paßt aber trefflich auf das Auftreten der SPD heute im Willy- Brandt- Haus in Berlin.
Steinmeier und Müntefering, bejubelt und applausumtost, die doch tatsächlich versuchen, die heutigen Wahlergebnisse als "großen Erfolg für die SPD" hinzustellen, weil die CDU immerhin erdrutschartige Verluste hingenommen hat. Nur ihr eigenes Abschneiden und die Stimmzuwächse der anderen Parteien haben sie scheinbar dabei aus den Augen verloren.
Da fragt man sich dann: glauben die sich das etwa selbst? Verarschen die nur die Leute oder sind die wirklich so bescheuert? Fragen über Fragen, und wenn bei der Bundestagswahl wieder erwartungsgemäß der Hefeteig gewinnt, der in Mimik und Gestik mittlerweile seinem Übervater derart gleicht, als wäre er ein Teil von ihm und irgendwo abgefallen, weiß dann wieder keiner, wie das passieren konnte. Daß die SPD demnächst irgendeinen Blumentopf gewinnen wird, glaubt ja nun wirklich kein Schwein. Außer der SPD, scheinbar.
Die Selbstdemontage geht weiter.

Nachdem wir uns nun den Selbstüberschätzern gewidmet haben, kommen wir zu den überschätzten Unterschätzten... oder so ähnlich.
Ich arbeite ja- größtenteils aus Langeweile- chronologisch alle James- Bond- DVD's meines Mitbewohners ab. Und im Falle der Sean Connery- Filme gibt es blödere Möglichkeiten, seine Zeit totzuschlagen. Unterhaltungskino der besten Sorte, mit oft parodierten Stilelementen und größtenteils dermaßen hanebüchen, daß man es nicht mehr hundertprozentig ernstnehmen kann, selbst wenn es irgendwann so gemeint gewesen sein sollte.
Mittlerweile bin ich beim "Geheimdienst Ihrer Majestät" angelangt, dem George- Lazenby- Bond, den ich als Jugendlicher schonmal gesehen hatte. Nachdem viele, die sich dazu berufen fühlen, schon kundgetan haben, der arme Lazenby wäre zu unrecht verprellt worden und "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" ein ganz famoser 007- Film, dachte ich, ich schaue ihn unvoreingenommen noch einmal.
Ergebnis: George Lazenby hatte das Charisma und die darstellerischen Fähigkeiten eines Napfkuchens und wurde völlig zurecht der Versenkung überantwortet.
Was dann wiederum zeigt, wie sich manche wildwuchernden Mythen sogar um diejenigen ranken können, die sie beim besten Willen nicht verdient haben.
Die "Überschätzten, bei denen die Gerüchte, sie wären unterschätzt gewesen, bei weitem überschätzt werden." Oder so.
Ich glaube, ich werde wahnsinnig.

Donnerstag, 27. August 2009

Das Tempelhofer Remouladenmassaker

Ich bin mir sicher, wir haben hier in gewissen Teilen Berlins noch Reste der Planwirtschaft, die sich hartnäckig weigern, den Weg alles Irdischen zu gehen.
So muß wohl vor geschätzt drei Jahren ein dermaßen gigantischer Überschuß an Mayonnaise produziert worden sein, der nun aus irgendwelchen obskuren Gründen heimlich weg muß,vor allem in der Gegend um den U- Bahnhof Alt- Tempelhof herum.
Wie ich darauf nun komme?
Ganz einfach: die Geschichte ist immer dieselbe. Man wandert so umher, ist auf dem Weg zum Studio und stellt fest, daß es noch gut zwei Stunden bis zum Mittagessen sind. Also sollte man eine Kleinigkeit verdauen, und wie es der Zufall will, bleibt der Blick an einer Auslage mit allerlei belegtem Krempel hängen. Dann kauft man ein Schnitzelbrötchen bei Kamps, ein Salamibrötchen bei Thürmann oder eine Laugenstange mit Gouda im Netto, beginnt, es zu vertilgen und hat spätestens beim zweiten Bissen nur noch Matsch im Mund und auf den Fingern.
Berge von Mayo, kiloweise mundwarme Remoulade oder irgendein inferior schmeckendes undefinierbares Gesabbere, in dem man Möhrenraspeln ausmachen kann, immer alles eßlöffelweise und gut unter dem Belag versteckt.
Bei dem astronomischen Cholesteringehalt müßte eigentlich jeder dritte Berliner Einwohner über 50 an einem Gehirnschlag sterben. Ergründen konnte ich den inflationären Verbrauch an schmierigem Schlabber hier noch nicht. Vielleicht kann mir das mal jemand erklären.
Apropos "Gehirnschlag": wenn man praktikumsbedingt nun schon drei Wochen am Stück mit dem Pokemonklon "Yu-Gi Oh!" beschäftigt ist und auch der Mentor gerade nichts anderes zu tun hat, scheint das der geistigen Unversehrtheit ebenfalls nicht zuträglich zu sein.
Irgendwelche Comicfiguren duellieren sich in jeder Folge mithilfe von Spielkarten, denen nahezu grenzdebile Monster entsteigen, die allen Ernstes Namen wie "Planierraupe des Untergangs", "Verrückter Erzunterweltler", "Gerümpelkrieger" oder "Rache des Ameisenlöwen" tragen und nach Regeln gegeneinander antreten, die außer kindgebliebenen Videothekennerds ohne Freunde und achtjährigen Trading- Card- Sammlern kein Mensch auf dieser Welt kapiert... wahrscheinlich nicht mal diejenigen, die den Quatsch erfunden haben. Wobei ein gewisser Unterhaltungswert dem Ganzen auch nicht abzusprechen ist.
Und sei es nur, daß man auf den "Doppelkammschwänzigen Stinkmaukenmolch", den "Bleihodentragenden Nahkampftapir" oder den "Halbverrosteten Riesenpferdepenis aus der Hölle" wartet.

Mittwoch, 26. August 2009

Bedenkliche Rückfälle

Mein Beißreflex gegenüber Berlin hatte sich ja relativ rasch gelegt, mittlerweile führe ich hier so etwas wie ein alltägliches geregeltes Leben, immer mal von einem Hauch Heimweh durchzogen, als hätte jemand einen sentimentgetränkten Lappen in den Durchzug gehalten (oh die Metaphern, gar gülden rumpeln sie in die Tastatur)... aber so im allgemeinen dachte ich schon, latente Aversionen gegen wen oder was auch immer daheimgelassen zu haben und relativ wohlgemut meinen Arbeits- und sonstigen Trott zu bewältigen.
Und unvermutet steht man dann in der U- Bahn vor einem Plakat. Plakate ähnlicher Machart gibt es genug in Berlin, und zwar werden Stellen aus Büchern oder Zitate wiedergegeben, die einen Bezug zu Berlin haben, scheinbar von der Stadt höchstselbst in Auftrag gegeben. Eine eigentlich nette Idee und auch nicht zu beanstanden.
Aber dann das scheinbar aktuelle Zitat eines Bühnenmimen zu erblicken (wie auch immer er heißen mag... bei Bedarf liefere ich ihn gerne nach), der nicht nur in der Manier Klopstockschen Messiaswahns eine weitgehend unzurechnungsfähige Ode an Berlin zusammenbrummt, sondern den ganzen Stiefel auch noch mit der Feststellung beschließt, daß "Berlin der einzige Ort ist, in dem man richtig auf einer Bühne stehen kann, denn alles andere ist Abklatsch und Provinz"... nun, jedem sei seine Meinung gelassen, und sei sie auch noch so dämlich, aber daß ein relativ hemmungsbefreiter Verantwortlicher solch eine Scheiße auch noch plakatieren läßt, anstatt sich fremdzuschämen, wie es in einem solchen Fall angemessen wäre, finde ich irgendwie nich so knorke, wa.
Ginge es um meine Stadt, wäre mir derartiges peinlich, auch weil es Besuchern aus ganz Deutschland noch einmal vor Augen führt, welch Saubauern sie eigentlich sind.
Und kurz war er wieder da, der Groll, verbunden mit dem Wissen, was mir manche Leute in dieser Stadt so widerwärtig macht.
Genauso kurz, wie es zu der Feststellung dauerte, daß ja zum Glück nicht alle hier so sind.
(Ich glaube, das muß ich schreiben, sonst komme ich demnächst wieder in Erklärungsnot).

Montag, 24. August 2009

Rosen im Müll

Irgendwie waren die letzten Tage arschig. Bumm, kurz und knackig auf den Punkt. Damit könnte ich es bewenden lassen, aber ich habe ja einen Blog.
Aber was soll man schreiben, wenn man wenig Tiefschürfendes mitzuteilen hat?

"So begab es sich nun zu der Zeit, daß er sich in einem Internetcafé am Prenzlauer Berg wiederfand, gehüllt in schwarzen Stoff, und hinter ihm saß ein Weib, das weinte gar bitterlich, aus einem Grund, den er nicht nachvollziehen konnte, denn sie redete in Zungen. Oder türkisch. Auf jeden Fall in irgendeiner Sprache, die er nicht verstand, doch ihr Herz ward bewegt von großem Weh, das sie laut kundtat, was in ihm den sehnlichsten Wunsch erweckte, sie zu erwürgen.

Den lang war der Weg, den er gegangen. Er kam von Golgatha (auch "Kreuzberg" genannt), wo er im kryptisch betitelten KoKa 36 ein Ticket erstand, um den Erlöser zu sehen, was ihn sehr bewegte (nur, daß sich Jesus nun den Beinamen "Lizard" zugelegt hatte), hatte dann das Kottbusser Tor passiert, vorbei an lauter fremdländisch aussehenden Menschen, die ihm Spezialitäten ihrer Heimat offerierten ("Good Hash from Maroc? Heroin, Kokain, Ecstasy?") und wohlgelaunten jungen Menschen, die herumstanden und schäumendes Gerstengebräu tranken, wenn sie denn noch stehen konnten... ein paar von ihnen schienen strikt zu fasten, zumindest erweckte es den Anschein, aber in purer Verzückung schien es ihnen egal zu sein.

Und nun saß er hier, im Internetcafé"... blabli blablubb.

Und wartete darauf, daß ihm beizeiten etwas Besseres einfiel.

P.S.: falls jemand die Band kennt und noch über die Anspielung grübelt: am 15.09. THE JESUS LIZARD in Originalbesetzung im Festsaal Kreuzberg, einziges Deutschlandkonzert (und spätere Reunion nicht ausgeschlossen). Allein dafür hat sich der Berlinaufenthalt gelohnt... daheim würde ich jetzt "Pure", "Head", "Goat" und "Liar" auf Endlosrepeat laufen lassen. Wenigstens etwas. Und was für ein Etwas.

Freitag, 21. August 2009

Tom van Laaks Hund

Im neuen OX schreibt der von mir überaus geschätzte Tom van Laak eine sehr emotionale Kolumne darüber, wie er seine Hündin Stella einschläfern lassen mußte. Sie laborierte an den Spätfolgen eines Schlaganfalls, konnte ihre Ausscheidungen nicht mehr unter Kontrolle halten, kaum noch laufen und rannte überall dagegen. Wenn man tierlieb ist, läuft einem bei diesem Bericht das Herz wahrscheinlich genauso über wie der Tränenkanal... aber die Entscheidung, das Tier von seinen Leiden zu erlösen, ist absolut nachvollziehbar.
Gleichzeitig lese ich in der Berliner Zeitung, daß geplant wird, eine Patientenverfügung alle zwei Jahre neu überprüfen zu lassen. Oh ja, ich vergaß: wir sind Menschen und haben uns somit das Privileg erworben, unter bestialischen Qualen zu verrecken. Und sogar, wenn man seinen Willen schriftlich fixiert, kann es einem noch passieren, daß man jahrelang als sabbernder Lappen dahinvegetiert, weil die Leute, die dafür zuständig wären, entweder feige sind oder jede Zuständigkeit von sich weisen.
Ich will damit keiner Euthanasie das Wort reden. Wenn jemand denkt, unter unerträglichen Schmerzen den Löffel abgeben oder die letzten fünf Jahre seines Lebens mit komplett demenzzerweichtem Hirn und Minimalvita an die Decke starren zu müssen, in einem Zimmer, in dem das Geräusch der Sondenpumpe die einzige Abwechslung ist, wäre ich der Letzte, der ihn daran hindert. Wer meint, im Jenseits kommt der gütige Vater und verleiht ihm mit den Worten "Prüfung bestanden, mein Sohn" einen Orden, soll seinen Spaß haben.
Aber was ist mit denen, die darauf keinen Bock haben? Ich habe soviel gruslige Dinge in meinen 18 Jahren beruflicher Tätigkeit gesehen, daß ich mir vorkomme wie ein Kriegsveteran... und es will kein Ende nehmen. Mehr als einmal hatte ich Leute, die mich anbettelten, ihnen eine Spritze zu geben oder sie totzuschlagen, weil sie die Qualen nicht mehr aushielten... und der Gedanke, daß ich meinen Willen fixiert habe, handlungsunfähig bin und sich jeder davor scheut, auszuführen, was ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und im Wissen um die Konsequenzen niedergeschrieben habe, weil vielleicht am besten noch der Pfaffe aus dem nahegelegenen Dom auftaucht und einen Vortrag darüber hält, daß man Gott samt der ganzen Natur nicht ins Handwerk pfuschen darf (woran ich nicht mal ansatzweise glaube, aber hauptsache, sie können Dritten ihre Ansichten überstülpen) jagt mir mehr Angst ein, als es der Gedanke an den Tod vermag.
Denn wenn ich es hinter mir habe, ist mir so oder so alles egal... dann juckt es mich nicht mehr, ob ich vor meiner Zeit das Ticket löste, am nächsten Tag ein Heilmittel gegen Krebs erfunden wird oder ich sechs Richtige im Lotto hatte. Ist das so schwer zu begreifen?
Alleine der Umstand, daß jemand wie Jack Kevorkian, der in den USA vom Hals ab gelähmten Patienten Todesmaschinen gebaut hat, die sie bedienen konnten, wenn sie es wollten, in den Knast wanderte und von robusten Rollstuhlfahrern, denen nun wirklich niemand ans Leder wollte, als "Nazi" diffamiert wurde, obwohl er als Jude in seiner Kindheit KZ- Insasse war, ist schon obszön genug.
Ist doch schön, daß jemand zu wissen glaubt, wie ich mit meinem Leben das Richtige anstelle. Hund zu sein, erscheint mir da nicht als schlechteste Alternative.

Sonntag, 16. August 2009

Feuchte Träume und sonstige Vergnügungen

Einer der beknacktesten Träume, die ich je hatte, suchte mich vor gut einem Jahr heim: in winterkalter Nacht ging ich in einer weitgehend menschenleeren Gegend einen engen, gewundenen Weg entlang, meinen alten Holzschlitten hinter mir herziehend. Am Ende des Weges befand sich ein Häuschen, das ich nach gefühlt drei Stunden erreichte und an dem ich klopfte, worauf mein Vater die Tür öffnete.
Anschließend meinte ich: "Endlich daheim. Nun können wir ins Bett gehen." Darauf mein Vater, im Brustton der Überzeugung: "Halt, zuerst essen wir jeder noch ein Tischbein."
Sprach's und setzte mir eine Bahlsenschachtel mit dem geschwungenen Aufdruck "6 Tischbeine" vor, griff hinein und holte ein großes Rokokotischbein (Kunsthistoriker, bitte überlesen) aus Spekulatius mit Nougatverzierung heraus, das man mit beiden Händen wie eine Schweinskeule halten mußte, um einen kräftigen Happen zu nehmen. Das freute mich, denn ich hatte ziemlichen Kohldampf. Dann wachte ich auf.
Ein Traum, der mich momentan ständig heimsucht, mittlerweile dreimal, und den ich mir nicht erklären kann: ich bin privat zu Gast, in allen drei Träumen in verschiedenen Behausungen. Dort soll ich übernachten, und jedesmal endet der Traum damit, daß ich eine Wasserleitung aufdrehe und undankbarerweise die Wohnung flute, bis ich bis zu den Knöcheln im Wasser stehe. Dann helfe ich den Gastgebern (manchmal Leute, die ich kenne, in der Regel aber nicht) scheinheilig, die Wohnung trockenzukriegen und werde immer wach, wenn jemand auf mich zeigt und meint: "Das warst doch du! Und es war Absicht!"
Was will mir das sagen? So ganz tiefenpsychologisch? Samenstau? Herandräuende Inkontinenz? Meine momentan eher zurückhaltende Misanthropie, die unter der Oberfläche gärt und blubbert?
Apropos: mein neuer Mitbewohner, der gestern für kurze Zeit eingezogen ist, fand keinen Platz für seinen Fernseher und DVD- Player und hat beides kurzerhand in meinem Zimmer geparkt, zu meiner Freude. Dazu gab er mir einen Umzugskarton mit DVD's.
Eine seltsame Mischung: zwischen einigen Pornos, bei denen ein Blick auf die Rückseite reichte, um mich von einem Testscreening abzuhalten (rein aus ästhetischen Gründen... ich sehe nicht wirklich mit Vergnügen, wie sich Frauen Gegenstände in den After stecken) gab es Troma- Trash (Toxic Avenger II), Eastern und einige Hochkaräter, die ich mir in der nächsten Zeit mal zu Gemüte führen werde und die mir manchen Abend retten werden (ja, es gibt langweilige Abende in Berlin, vor allem, wenn man wieder einen Hauptjob neben dem Praktikum hat und daheimbleibt, weil der Wecker um halb sechs klingelt.
Doch nun kommt erstmal König Fußball... sitze gerade fünf Minuten Fußweg vom "Gun Club" weg und scharre schon mit den Hufen.
Slayer, Slayer, FCK!

Samstag, 15. August 2009

Dreckmaukenpolka

Nun trete ich am Montag wohl noch dazu meinen Pflegeaushilfsjob an... so miserabel es ist, für eine Leihfirma zu arbeiten, immerhin haben sie mir von Karlsruhe aus in Berlin einen Job besorgt. Man scheint ein gutes Pferd im Stall zu sein und bringt den Verleihern Geld und Reputation.
Scheiß die Wand an, solange ich mich um nix kümmern und in Megalopolis, wo ich mich jetzt zumindest ein bißchen auskenne, nicht blöd herumstiefeln und Klinken putzen muß, soll mir das recht sein. Da geht mir meine Bequemlichkeit jetzt vor.
Aber meine Arbeitsschuhe hätte ich nicht in Karlsruhe vergessen sollen... die Tingeltour durch Sonderpostenläden, um ein paar Mauken zu finden, die aufgrund begrenzten Budgets nicht nur billig sind, sondern auch möglichst ein paar Wochen halten sollen, hätte ich mir heute gerne gespart.
Wäre ein gutes Touristenprogramm: erkunden Sie mit uns die abgefucktesten Ramschläden im Wedding, wühlen Sie in Gummischuhen für 6 Euro 99, Chucksimitaten für 11.99, die schon zu Bröseln zerfallen, wenn man sie nur scharf ansieht, Kinderschuhen mit Pailetten für 7.99, und was das Hartz-IV- Herz sonst noch begehrt.
Fühl das Herz des Prekariats.
Da fragt man sich, wer solchen Dreck in irgendwelchen Fabriken in Albanien für eine Handvoll Dosenravioli zusammenleimt, nur damit hier irgendjemand einen Reibach macht. Verkaufen muß sich diese Scheiße ja, ansonsten hätten nicht auf geschätzt 1500 Metern vier Sonderpostenläden meinen Weg gekreuzt.
Letzten Endes fand ich dann doch noch akzeptable Ledermauken für einen Zehner. Bin mal gespannt, ob ich am Montagabend noch Füße habe.

Donnerstag, 13. August 2009

Nowhere to run to, nowhere to hide

Gestern Abend wollte ich denn mal in die Stadt. Ich habe ein paar Lektionen gelernt:

1. Fünf Bier, die man im Alter von 26 Jahren trinkt, verhalten sich am nächsten Morgen anders als fünf Bier, die man im Alter von 36 Jahren trinkt.
Sprang ich vor 10 Jahren noch behende und mit dem Gefühl aus dem Bett, am Abend vorher noch relativ maßvoll unterwegs gewesen zu sein, hat jetzt während meines Schlafs ein fetter, bärtiger LKW- Fahrer aus Neustrelitz anscheinend seinen Campingtisch auf meinen Kopf gestellt, dazu noch drumherum Klappstühle und darauf mit seiner ebenso fetten Frau und seinen zwei doofen Kindern platzgenommen, um ein reichhaltiges Frühstück zu verzehren.

2. Man sollte nie in eine Kneipe im Wedding gehen, nur weil es dort statt dem nach Gurkenmarinade schmeckenden Berliner Pilsener das gute Rothaus Tannenzäpfle (aus dem Schwarzwald, nahe der Heimat) gibt und man um 1 Uhr nachts noch keine Lust hat, nach Hause zu gehen. Davon abgesehen, daß einen das Bier vor lauter von ihm hervorgerufener Sentimentalität gerne vergessen läßt, daß man in Karlsruhe lieber ein komplettes Wochenende im ödesten Stadtteil verbringen würde (sagen wir mal Weiherfeld- Dammerstock), statt auch nur für eine Stunde in den Schwarzwald zu fahren.

3. Das führt zur deprimierendsten Erfahrung: es gibt wohl keinen Ort der Welt, an dem man dagegen gefeit ist, in Situationen zu kommen, die es erfordern, sich freiwillig in Läden zu begeben, in denen Scheißmusik gespielt wird. Geht man irgendwo hinein, wo gerade Creed läuft und verläßt den Laden eine halbe Stunde später, während ebenfalls Creed läuft (wobei in der Zeit zwischen beiden erwähnten Ereignissen auch Creed lief), fragt man sich am nächsten Tag gerne, was einen wohl dazu bewogen hat, sich dort niederzulassen, anstatt angemessenerweise schreiend aus dem Raum zu rennen.
Der Alkohol? Die pure Grunz- und Brunzdummheit? Oder ist es halt einfach eine schicksalhafte Fügung, daß uns der Weg in Läden mit Musik, die kein halbwegs mit Gehör ausgestatteter Mensch freiwillig länger als zwei Minuten erträgt, ohne katatonisch zu sabbern, vorherbestimmt ist?

Dienstag, 11. August 2009

Was ich vermißte

und gerade wieder erleben darf: das Sitzen in Internetcafés von unterschiedlichem Trostlosigkeitsgrad, die von irgendwelchen Mittel- bis Komplettschmierlappen geleitet werden. Gerne Orientale mittleren Alters, die generell jeden mit "mein Freund" anreden.
Wacklige Sperrholzmöbel. Stühle mit geflochtenen Sitzflächen in Kindersitzhöhe, für die man drei Meter groß sein müßte, um in richtiger Haltung vor dem Rechner zu sitzen. Im Gegensatz dazu Läden mit gammligen Drehstühlen, bereits auf drei Meter hochgeschraubt, bei denen man vom Blick herab auf den Bildschirm fast einen Buckel bekommt.
Benachbarte Nervziegen, die sich grausige R'n B- Grütze über Handykopfhörer anhören, wenn sie nicht gerade telephonieren (und das in stetem Wechsel), wohl selbst nicht wissend, warum sie gerade online sind.
Leute, die mit ihren drei Kaffrusen abends im Internetcafé aufkreuzen, als wäre das eine Kindertagesstätte.
Ein Radioprogramm, das jeden, der nicht taub ist, in die Flucht schlagen sollte. Einen einzigen Daddelautomaten im Eck, an dem irgendein Frührentner festklebt.
Männer, die sich in einer Lautstärke von ca. 86 Dezibel auf türkisch unterhalten.

Man weiß es einfach wieder zu schätzen, einfach mal einen Abend daheimzubleiben, sich ein Bier aufzumachen und dort vor dem Rechner zu sitzen. Ich glaube, egal was passiert, an meinem zweiten Abend zurück in Karlsruhe werde ich genau das tun.

Sonntag, 9. August 2009

Der "Gesundbrunnen" für Hartgesottene

Als meine Lieblings- U- Bahn- Haltestelle in Berlin hat sich bis jetzt eine mit dem wunderbar harmlosen Namen "Gesundbrunnen" herausgestellt.
Man sollte dort niemals aussteigen, wenn man akut suizidgefährdet ist, denn die Gleise sind nicht weit weg und verleiten dann zu spontanen Dummheiten.
Trotz allem Neonlicht eine düstere Gruft mit OP- Saal- Kacheln, die mit ihrem morbiden Junkiecharme wohl sowas wie die konservierte Version der vielbeschworenen Mauerstadtatmosphäre der 80er ist. Fehlt nur noch Anne Clark aus einem Deckenlautsprecher.

Lustig war, das ich bei meinem ersten Betreten angesichts dieses kompletten Grauens dachte, ich wäre in einem Vampirfilm gelandet... und der erste Mensch, der mir dort über den Weg lief, ein weißgekalkter Typ mit platinblond gefärbtem Haar und knöchellangem Ledermantel war.

Samstag, 8. August 2009

Es könnte weitaus schlimmer sein...

Wenn man in Berlin ein Fußballspiel eines Clubs anschauen will, von dem man eigentlich annimmt, er wäre hier nicht sonderlich populär, ist es nicht nur ein Glücksfall, hier tatsächlich eine FCK- Kneipe zu finden, die nicht nur ein Jugendfreund eines guten Kumpels von mir betreibt, sondern noch dazu eine, in der ein solider Mob unterschiedlichster FCK- Fans einläuft, der für ordentlich Stimmung sorgt und in der gute Musik läuft. Was will man mehr?
Um die verdiente kostenlose Werbung zu beenden: der Laden heißt "Gun Club", ist in der Schliemannstraße 20 nahe der Haltestelle Prenzlauer Allee und via U- und S- Bahn samt ca. 5 Minuten Fußweg bequem zu erreichen.
Lustig, daß ich über 700 Kilometer von Karlsruhe wegmußte, um außerhalb der Pfalz eine gute FCK- Kneipe zu finden... an meinem Hauptwohnort zumindest ist das komplett unmöglich.
Ansonsten verging gestern und heute mit wenig mehr als durch die Gegend schuggern, Bier trinken und Fußball schauen. Klingt nach großem Hartz- IV- Kulturevent, doch schmal ist das Budget, und eine Liftfahrt zum obersten Stock des Fernsehturms am Alexanderplatz kostet hier schon 10 Euro. Die Frage, ob da jemand völlig den Arsch offen hat, sollte erlaubt sein.
Bald kommt mein (wenn auch bescheidenes) Gehalt von der Leihfirma, bei der ich ja nach wie vor unter Vertrag stehe (und die gerade versucht, mir über ihre Berliner Filiale einen Teilzeitjob außerhalb des Praktikums hier zu vermitteln... momentan habe ich noch Urlaub), und solange ich nicht alles restlos für Nutten und Koks verprasse, was bei solch monströsen Beträgen wie bei jenen, die ich erwarte, eher unwahrscheinlich ist, habe ich ja genug Zeit, mir hier noch diverse Dinge eingehend zu betrachten.
Immerhin wohne ich jetzt hier... so langsam finde ich mich auch mit der Tatsache ab. Es könnte weitaus schlimmer sein...

Freitag, 7. August 2009

Rapide Wedding

Heute ein Gespräch mit meinem Mitbewohner: "Ja weißt du, der Wedding ist hier nicht richtig beliebt. Wenig Studenten, dafür sehr viele Arbeiter und Angestellte, auch viele ältere Leute... und lauter Bierklitschen, aber nichts richtig Trendiges."

Da sag ich doch mal: Bingo! Ein Freund von mir meinte bereits, wenn ich in Berlin irgendwo hinpasse, ist es "das rote Wedding". Ein Arbeiterviertel, wie es sein muß, miese Jobs, häßliches Stadtbild, alte Klassenkampftradition. Daß ich gerade am Rosa- Luxemburg- Platz in der früheren DDR im Internetcafé sitze, paßt dazu wie der Arsch auf den Eimer.

Was gab es heute Neues? Mein erster freier Tag diese Woche, an dem ich nicht im Synchronstudio bin. Vorgestern durfte ich sogar mitsynchronisieren... wenn irgendjemand mal die Muße hat, veritablen Scheißdreck namens "Pferdemond" anzuschauen und hört darin einen Mährentreiber "Hoooo! Lauflauflauf!" brüllen: das war ich. Mein Prominenzgrad steigt sprunghaft in die Höhe.
Ansonsten erhielt ich bereits gute Einblicke und habe soviel gelernt, wie es mir in drei Tagen möglich war... auch was meine hoffentlich zukünftigen Aufgaben angeht.
Wenn ich nicht gerade mit meinem Mentor Stefan Kaiser an einer gar grützigen italienischen Zeichentrickserie herumbastle (bzw. ihm dabei zuschaue), lese ich Skripte ("Crash And Burn", deutscher Titelvorschlag: "Autoknacker mit Herz"... aua aua aua)) oder schaue Leuten beim Synchronisieren zu, um etwas darüber zu lernen, wie ein Skript so angelegt wird, daß es in den Sprachrhythmus paßt.

Nächste Woche um diese Zeit bin ich hoffentlich um einiges schlauer... jetzt gehört das Wochenende zuerst mal König Fußball.

Donnerstag, 6. August 2009

Lokalkolorit galore

Nun, wo gerade die Polizei unterwegs ist, weil irgendein Arschloch direkt vor meinem Fenster auf der Straße seine Freundin verprügelt hat, und ich natürlich auch gleich am ersten Abend in irgendeiner U- Bahnhaltestelle ("Leopoldstraße" oder "Leopoldplatz"... auf jeden Fall irgendwas mit "Leopold") von einem- euphemistisch ausgedrückt- Jugendlichen mit Migrationshintergrund, der ausgerechnet von mir wissen wollte, wie er denn nach Wilmersdorf käme, beinahe stilecht ein paar auf die Fresse bekommen hätte, weil ich ihm keine Antwort geben konnte (ein guter Rat: wenn man merkt, daß jemand komplett aggressiv auftritt und einen Kumpel dabeihat, der noch seine Restvernunft bewahrt zu haben scheint, sollte man sich blöd stellen. Ich habe beharrlich Französisch geredet, was den Typen völlig aus dem Konzept brachte, bis er von seinem Begleiter mit den Worten "Alda, laß den Typen, der redet doch kein Deutsch" aus der Haltestelle geleitet wurde, wobei er noch wie irre an irgendwelche Fahrplankästen boxte)denke ich mir, daß meine ersten prägenden Eindrücke von Berlin die furchtbare Stumpfheit eines Landeis auf Besuch in der großen, weiten Welt widerspiegeln.
Wenn ich etwas partout vermeiden wollte, dann das.
Zumindest kann ich auch einige positive Sachen verbuchen: ein Praktikum, das wirklich Spaß macht, eine angenehme WG im recht bodenständigen Arbeiterviertel Wedding und meine erste Begegnung mit einem Berliner:
der Taxifahrer am Hauptbahnhof, der mich nach meiner Ankunft zu meiner Wohnung karrte, ein schildkrötiges Urgestein aus Nappaleder, das mir mit den beiden wunderschönen Sätzen (bitte eine Lee- Marvin- Stimme in Zeitlupe herbeiphantasieren)
"Ditt is allet afrikanisch hier" und "wenn der da rinfährt, fahr ick ooch da rin" zwei absolute Running Gags bescherte.
Es war ein Moment reinster Poesie.

Montag, 3. August 2009

Wieso dieser Scheiß- Bauernverein?

Es ist soweit: zum Saisonbeginn und dem Ende einer schier endlos erscheinenden Sommerpause das unvermeidliche Wort zum Fußball.
Wie macht man jemandem, der dazu überhaupt keinen Bezug hat und für den das lediglich ein Spiel ist, bei dem 22 Deppen einem Ball hinterherrennen, eine abgöttische Liebe klar? Gar nicht?
Es ist vielleicht wirklich sinn- und zwecklos. Deshalb dies:

Ich bin familiär bedingt mit dem 1.FC Kaiserslautern aufgewachsen. Seit ich 6 Jahre alt bin, hänge ich an diesem Verein... meine beiden Onkel, von denen einer mittlerweile leider verstorben ist, hatten in meinem Heimatdorf einen Fanclub, mein Vater wurde, nachdem er in Deutschland angekommen war, gleichfalls in die Pflicht genommen.
Wir waren eine FCK- Familie mit nuanciert abgestuftem Fanatismusgrad, und in Deutschland gab es nie einen anderen Verein und wird es nie einen geben... auch wenn Anfang der 80er als Reminiszenz an meine korsischen Wurzeln noch der SC Bastia dazukam, der bei mir den gleichen Stellenwert hat, aber aufgrund der räumlichen Distanz natürlich nicht dermaßen mit Erinnerungen behaftet ist... auch wenn es denkwürdige Momente gab, zum Beispiel mein erstes und bisher letztes Heimspiel im Stade Furiani gegen Guingamp.
Aber der FCK ist natürlich um einiges präsenter.
Vieles hat man in 30 Jahren erlebt... erste Stadionbesuche in den frühen 80ern als Kind mit einer scheinbar mundgestrickten FCK- Pudelmütze auf der Rübe, spätere Auswärtsfahrten mit Freunden als mobile Kippen- und Biervernichtungsmaschine, sich benehmen wie ein Arschloch, Frustaufbau und -abbau, große Siege, in der aktuellen Dekade Niederlagen einer Gurkentruppe, die über den Platz stolperte, als würde sie sich selbst darüber wundern, wie sie überhaupt dahin geraten ist, eine kurze Phase (ca. 2 1/2 Jahre) während meiner politisch korrekten (kein Kommentar, bitte) frühen Punkzeit, als Fußball als Proletensport verpönt war, ich mich vornehmlich nicht mehr dafür interessierte und trotzdem heimlich die Tabelle verfolgte (warum hat mich damals eigentlich nicht der Blitz beim Scheißen getroffen?), meine Rückkehr ins Stadion 1996 mit darauffolgendem Abstieg, Zittern und Bangen angesichts der drohenden Insolvenz, begleitet von Häme gegnerischer Fans, das Gefasel irgendwelcher ach so aufgeklärter Mitmenschen, wie man solch einen Bauernverein supporten kann, was die Trotzhaltung noch verstärkt hat...
wie soll man das jemandem klar machen, der damit nichts zu tun hat?
Und wie soll man jemandem klarmachen, daß Fußball nichts mit Ringelpiez mit Anfassen zu tun hat? Daß ich keine familienfreundlichen Feste will, wo man mit vorschriftsmäßig angemalter Fresse eine große, gemeinsame Party feiert, sondern daß es im Stadion darum geht, auch mal den Frust einer Arbeitswoche loszuwerden, man sich auf den Rängen auch gerne mal gegenseitig beharkt, beleidigt und benimmt wie Pöbel und Gesocks, und wo sogar mitgebrachte 8jährige bei ihrem ersten Stadionbesuch Schaum vor dem Mund haben, genau wie ich damals... auch wenn irgendwelche Marketingfritzen dann jammern, weil Fußballfans nicht soweit zähmbar sind, daß man sie für seine Zwecke instrumentalisieren kann?

Eines sollte klar sein: ich habe nichts dafür übrig, wenn Menschen Fußball und reales Leben verwechseln und etwa nichts mit Leuten zu tun haben wollen, weil die zufällig einem anderen Verein angehören.
Mich verbindet beispielsweise mittlerweile eine Haßliebe mit dem KSC; ich zähle viele Fans desselben zu meinen Kumpels und Freunden und habe auch keine Probleme damit, mit ihnen- zumindest im Fernsehen- Spiele zu schauen, für einen aktiven Support im Wildpark bzw. gar einem Erwerb von Fandevotionalien reicht die Selbstüberwindung nun doch nicht, aber zumindest zu aufrichtiger Sympathie, eigentlich an sich schon ein Ding der Unmöglichkeit, bei der Geschichte der Rivalität beider Klubs.
Trotzdem muß man sagen: im Vergleich zu der legendären Feindschaft zu den Baracklern aus Mannheim (das war kein Fußball, das war Krieg... zumindest spielen die gerade keine Rolle mehr. Aber wenn man sich anschaut, was da gerade zumindest in Liga 1 an Vereinen herumturnt, die kein Schwein braucht, will man sie fast schon wieder zurückhaben)ist das Verhältnis zu den Karlsruhern ziemlich entspannt.
Aber wenn beide Vereine gegeneinander spielen, gibt es nunmal drei oder vier Stunden für mich keine Freundschaft mehr, das ist beiden Seiten klar.
Wichtig ist nur, daß man abends wieder gemütlich ein Bier zusammen trinken kann, ohne sich gegenseitig auf's Maul hauen zu wollen.

Nichtdestotrotz:
Fußball ist Bestandteil des Lebens von jedem, der mit einem Verein aufgewachsen ist, und eine Freizeitbeschäftigung, die es allen, die genauso denken, erlaubt, sich einmal 90 Minuten ohne Rücksicht auf Beruf oder sonstigen sozialen Status für dieselbe Sache zu begeistern und eine gemeinsame Basis zu schaffen, seien sie nun Gymnasiallehrer oder Hilfsarbeiter auf dem Bau.
Mag sein, daß Fußball kein Mensch braucht. Aber wenn man ihm einmal verfallen ist, sind einem derartige Binsenweisheiten auch komplett egal.

Der Beißreflex

So, nach ausreichender Vorbereitung ist es morgen nun also soweit: um 5 Uhr 58 fährt mein Zug Richtung Berlin ab.
Neuer Job, angestrebter Zweitwohnsitz, neue WG, Leben aus dem Koffer, alles noch vage und nebulös.
Was Berlin anging, hatte ich in letzter Zeit einen Beißreflex entwickelt, der in seiner Heftigkeit gar nicht beabsichtigt war; doch vieles, was an Reaktionen von Leuten kam, ging mir gewaltig auf den Sack.
Anscheinend ist es für manche Leute absolut nicht nachvollziehbar, daß man nicht Berlins wegen nach Berlin geht, sondern aus rein beruflichen Gründen.
Als ich vor 10 Jahren nach Karlsruhe kam, habe ich es anfangs gehaßt und wollte schnellstmöglich wieder weg.
Weg ging ich aus diversen Gründen im März 2002 tatsächlich... was mir eine abenteuerlich schlingernde Irrfahrt einbrachte, die unbeabsichtigterweise im Oktober 2002 wieder in Karlsruhe endete, verbunden mit dem Vorsatz, zumindest zu versuchen, mich mit der Stadt zu arrangieren.
Was soll ich sagen? Ich schaffte es tatsächlich, hier anzukommen.
Seit gut 5 Jahren fühle ich mich völlig hier heimisch, verbunden mit einer Art grimmigem, erworbenen Lokalpatriotismus, der einerseits der eines jahrelang Entwurzelten sein mag, der seinen Claim jetzt mit Zähnen und Klauen verteidigt (nachdem ich meine Kindheit und Jugend hauptsächlich in zwei verschiedenen Dörfern verbracht habe, von denen ich eines nach wie vor mit völliger Inbrunst abgrundtief hasse, während ich mit dem anderen weitgehend meinen Frieden gemacht habe, zumindest solange, als ich nicht mehr dauerhaft dort leben muß. Aber ich war schon als Kind
fasziniert von Großstädten und wollte irgendwann mal in der Stadt leben)und zudem der eines Menschen, der etwas Liebgewonnenes gegen seinen schlechten Ruf (zum Beispiel den einer langweiligen Beamtenstadt... ein Image, das anscheinend vorwiegend gerne von Leuten verbreitet wird, die noch nie hier waren) in Schutz nimmt.
Natürlich gibt es hier einiges, was mir ziemlich übel aufstößt und dazu beiträgt, daß Karlsruhes Ruf nicht von ungefähr kommt, aber ich werde das jetzt nicht breittreten. Ich kenne auch genug Leute, die zumindest im Bereich der Subkultur versuchen, hier echt etwas zu bewegen und die außerhalb von Karlsruhe kaum wahrgenommen werden.
Aber, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Leute, die mich ständig in einer Art und Weise zu Berlin beglückwünschten, als wäre ich hier der kompletten Einöde entronnen und ginge nun endlich dahin, wo das Leben pulsiert, gingen mir eine zeitlang brutal auf den Sender.
Wenn ich dann meinte, daß ich hier eigentlich nicht wegwolle, hier nicht nur meine Existenznische gefunden habe, sondern auch viele Freunde, daß meine Eltern hier in der Nähe leben, zu denen ich seit Jahren ein hervorragendes Verhältnis habe (nicht sehr Punkrock, ich weiß... was mich aber auch nicht juckt) wurde wissend gezwinkert, nach dem Motto "Jaja, warte, bis du erstmal drüben bist, dann willst du nicht mehr weg".
Zum Glück habe ich den ganzen Ballast nun über Bord geworfen, denn je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr schwand meine Vorfreude, und das komischerweise nicht wegen Berlin, sondern nur wegen gewisser Leute. Und das hat eigentlich keine Stadt verdient.
Nun ist also alles geregelt, es geht ans Kofferpacken, und ich kann mich wieder darauf freuen, nicht nur auf mein Praktikum mit der Aussicht, eventuell einen neuen Job zu ergattern (nachdem der bisherige mittlerweile kaum noch zu ertragen ist), sondern auch auf die Leute, die ich bereits dort kenne und wiedertreffen werde.
Und wer weiß, vielleicht zieht es mich wirklich ganz hinüber, man sollte nie "nie" sagen... vor 10 Jahren hätte ich auch niemals gedacht, daß ein Teil von mir (wahrscheinlich lebenslang) einmal in einer badischen Beamtenmetropole zurückbleiben würde.
Auch wenn der Teil jetzt vorerst nur ein oder zwei Monate ohne mich auskommen muß.

Samstag, 1. August 2009

Zum Radio in Gummistiefeln

Früher, bis vor ca. 10 Jahren, hatte ich einen ziemlich prägnanten Sprachfehler. Ich lispelte sehr stark und konnte keinerlei "S"-, ""Z"- und "Sch"- Laute aussprechen... dazu kam ein extemer Pfälzer Dialekt... bis ich Mitte 20 war, habe ich so gut wie nie Hochdeutsch geredet, es sei denn, ich mußte etwas vorlesen.
Sogar heute weist mein Hochdeutsch noch eine schwere Dialektfärbung auf... den Sprachfehler habe ich mir in einem Gewaltakt selbst wegtrainiert, aber dafür nuschele ich oft ziemlich gräßlich.
Was dieses Komplettouting nun soll? Nun, seit einigen Monaten bin ich Radiomacher beim Querfunk in Karlsruhe... stehe in diversen Sendungen am Mikrophon, spreche zu einer unbestimmten Anzahl von Leuten, schätzungsweise im vierstelligen Bereich.
Angefangen hat es, daß ich über Beziehungen einmal monatlich die Nachtsendezeit von 0 bis 6 Uhr bekam, die ich "Radio Bronkowitz" getauft habe... was als einmalige Aktion begann, wurde rasch zur festen Einrichtung, und scheinbar hat das (auch im Verbund mit Sebastian "burnedcake" Wirth) dermaßen viele Leute überzeugt, daß ich bald zu einer zweiten Sendung namens "Hip 2 B Square" (siehe ein paar Posts weiter vorne) eingeladen wurde, in der ich mittlerweile auch Dauergast bin.
Und heute erfuhr ich, daß "Radio Bronkowitz" einen eigenen Sendeplatz von 22 bis 0 Uhr erhält, und das freitags (was somit fast schon die Prime Time ist), ein fester Bestandteil des Programmangebots wird und ich somit zum Stammpersonal gehöre, und die Nachtsendung bleibt quasi als "Special" neben der regulären Sendung ebenfalls erhalten.
Mein Journalismusdozent während meiner grusligen zwei Semester an der Karlsruher Uni empfahl mir dringend, Sprachunterricht zu nehmen, wenn ich eine Chance haben wolle, im Bereich "Medien" zu landen. Ich habe es nicht getan, und stattdessen das Studium abgebrochen, weil es ordentlich was wegsaugte und fast so öde und blöde war wie 90% meiner sonstigen Kommilitonen. Diese geistern heute durch SWR 4, "taff" oder was weiß ich für einen Stuß, und verdienen wahrscheinlich nicht schlecht dabei.
Und ich Saubauer stolpere vor Monaten quasi in Gummistiefeln sowie ohne Plan und Ahnung in ein Radiostudio, und schaffe es aus dem Nichts -ohne die leiseste Grundvoraussetzung mitzubringen- mich zu etablieren. Ich verdiene damit nichts... aber ich mache, was mir Spaß macht und kann auch gerne darauf verzichten, in sonorer Stimmlage den Beginn der Frühkartoffelernte in Wössingen zu verkünden, wenn ich dafür im Radio Big Black auflegen darf.
Das Leben ist doch manchmal eines der Schönsten.