Freitag, 21. August 2009

Tom van Laaks Hund

Im neuen OX schreibt der von mir überaus geschätzte Tom van Laak eine sehr emotionale Kolumne darüber, wie er seine Hündin Stella einschläfern lassen mußte. Sie laborierte an den Spätfolgen eines Schlaganfalls, konnte ihre Ausscheidungen nicht mehr unter Kontrolle halten, kaum noch laufen und rannte überall dagegen. Wenn man tierlieb ist, läuft einem bei diesem Bericht das Herz wahrscheinlich genauso über wie der Tränenkanal... aber die Entscheidung, das Tier von seinen Leiden zu erlösen, ist absolut nachvollziehbar.
Gleichzeitig lese ich in der Berliner Zeitung, daß geplant wird, eine Patientenverfügung alle zwei Jahre neu überprüfen zu lassen. Oh ja, ich vergaß: wir sind Menschen und haben uns somit das Privileg erworben, unter bestialischen Qualen zu verrecken. Und sogar, wenn man seinen Willen schriftlich fixiert, kann es einem noch passieren, daß man jahrelang als sabbernder Lappen dahinvegetiert, weil die Leute, die dafür zuständig wären, entweder feige sind oder jede Zuständigkeit von sich weisen.
Ich will damit keiner Euthanasie das Wort reden. Wenn jemand denkt, unter unerträglichen Schmerzen den Löffel abgeben oder die letzten fünf Jahre seines Lebens mit komplett demenzzerweichtem Hirn und Minimalvita an die Decke starren zu müssen, in einem Zimmer, in dem das Geräusch der Sondenpumpe die einzige Abwechslung ist, wäre ich der Letzte, der ihn daran hindert. Wer meint, im Jenseits kommt der gütige Vater und verleiht ihm mit den Worten "Prüfung bestanden, mein Sohn" einen Orden, soll seinen Spaß haben.
Aber was ist mit denen, die darauf keinen Bock haben? Ich habe soviel gruslige Dinge in meinen 18 Jahren beruflicher Tätigkeit gesehen, daß ich mir vorkomme wie ein Kriegsveteran... und es will kein Ende nehmen. Mehr als einmal hatte ich Leute, die mich anbettelten, ihnen eine Spritze zu geben oder sie totzuschlagen, weil sie die Qualen nicht mehr aushielten... und der Gedanke, daß ich meinen Willen fixiert habe, handlungsunfähig bin und sich jeder davor scheut, auszuführen, was ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und im Wissen um die Konsequenzen niedergeschrieben habe, weil vielleicht am besten noch der Pfaffe aus dem nahegelegenen Dom auftaucht und einen Vortrag darüber hält, daß man Gott samt der ganzen Natur nicht ins Handwerk pfuschen darf (woran ich nicht mal ansatzweise glaube, aber hauptsache, sie können Dritten ihre Ansichten überstülpen) jagt mir mehr Angst ein, als es der Gedanke an den Tod vermag.
Denn wenn ich es hinter mir habe, ist mir so oder so alles egal... dann juckt es mich nicht mehr, ob ich vor meiner Zeit das Ticket löste, am nächsten Tag ein Heilmittel gegen Krebs erfunden wird oder ich sechs Richtige im Lotto hatte. Ist das so schwer zu begreifen?
Alleine der Umstand, daß jemand wie Jack Kevorkian, der in den USA vom Hals ab gelähmten Patienten Todesmaschinen gebaut hat, die sie bedienen konnten, wenn sie es wollten, in den Knast wanderte und von robusten Rollstuhlfahrern, denen nun wirklich niemand ans Leder wollte, als "Nazi" diffamiert wurde, obwohl er als Jude in seiner Kindheit KZ- Insasse war, ist schon obszön genug.
Ist doch schön, daß jemand zu wissen glaubt, wie ich mit meinem Leben das Richtige anstelle. Hund zu sein, erscheint mir da nicht als schlechteste Alternative.

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