Samstag, 19. Dezember 2009

Bohren und der Club Of Gore, 18.12.2009, Karlsruhe, Stadtmitte

Vor keinem Konzertbesuch bisher habe ich so lange gezögert.
Bohren und der Club Of Gore. Großartige Band, aber auf Platte höchstens 30 Minuten am Stück zu ertragen, bevor die Totenstarre einsetzt. Aber live? Möglicherweise 90 Minuten?

Es schneite wild und es war dunkel, als ich mich auf den Weg zum Club Stadtmitte machte, ein imposantes Gebäude mit einem hohen, illuminierten Glockenturm, welches früher die Hauptpost beherbergte.
Das klingt für Bohren schon nach idealen Grundvoraussetzungen... daß der Laden mittlerweile eine gruslige After- Work- Klitsche für Besserverdienende samt Videoleinwand ist, auf der irgendwelche Nepalesen herumhüpfen und ruandische Bauern Zebus durchs Bild führen, während dazu schwerstens erträgliche Scheißmusik läuft, schon weniger.
Nun denn... Bohren im völlig verdunkelten Hinterraum, der erstaunlich gut gefüllt war und keinerlei Sitzgelegenheit außer dem Fußboden aufwies.
Das sah nach harter Prüfung aus.
Dann ging es los.
Es waberte Trockeneisnebel, die Band war auf der lediglich von drei schwachen Strahlern illuminierten Bühne bestenfalls schemenhaft auszumachen (ab und zu fiel der Lichtkegel auf ein Stück Glatze, den Hals des Basses oder den unteren Teil des Saxophons) und spielte ihren unfaßbar langsamen, düsteren Zeitlupenjazz konstant mit ca. 20 bpm (nur gegen Ende gab es genau ein etwas "flotteres" Stück, das dann bei ca. 30 bpm lag).
Und... es funktionierte, tatsächliche 90 Minuten lang.
Der Sound war glasklar... die Baßdrum rührte in den Eingeweiden, das Saxophon ließ einem bei seinen Einsätzen mit Tönen, die aus der Tiefe des Raums zu kommen schienen, um dann bis an die Schmerzgrenze anzuschwellen, fast das Gehirn aus den Ohren laufen, alles spielte sich ohne Unterbrechung im Dreivierteldunkel ab und entwickelte- wenn man sich darauf einließ- eine unglaubliche Sogwirkung, die einen Zustand zwischen Meditation und Katatonie auslöste.
Demzufolge kam es zu diversen Ausfällen im Publikum... manche Leute gingen, manche setzten sich irgendwann auf den Boden, man selbst stand einfach da und starrte preß auf die Bühne, bemüht, alle äußeren Einflüsse weitgehend auszublenden, obwohl ich für Kommentare meines Kumpels René in der Art von "Hey, guggemol die zwää newe mir, die wollen's gar nimmi wisse, die sterwen gleich" recht dankbar war, und, bizarr genug, die Ansagen zwischen den Stücken durchaus was Helge- Schneidereskes hatten, was die Atmosphäre immer wieder auflockerte
("Unser nächstes Stück ist ein Protestsong gegen Mütter, die ihre Kinder in viel zu großen Autos zum Fußballtraining fahren").
Am Ende gab es natürlich "Midnight Black Earth", bevor man- selbst irgendwie stolz auf sich, tatsächlich das ganze Konzert durchgestanden und es sogar großartig gefunden zu haben- wieder in die Nacht hinausstolperte.
Es war bitterkalt, windig und schneite. Bohrenwetter.

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