Montag, 29. März 2010

Der Typ mit dem irren Blick

Noch ein kleiner Nachtrag:

wie ich soeben erfahren habe, muß die ebenfalls anwesende Journalistin meine Lesung komplett unter aller Sau gefunden haben, und nachdem, was ich da zwischen den Zeilen lesen durfte, wohl überzeugt sein, einem halbwegs gemeingefährlichen Irren gegenüber gesessen zu haben.
Ich kann gerade nicht aufhören zu grinsen... hätte ich das vorher gewußt, hätte ich mich wahrscheinlich erboten, sie nach der Lesung zu braten und zu verspeisen.
Nun warte ich schonmal auf den übelsten Verriß, den ich wahrscheinlich jemals kassieren werde und hoffe, daß er zumindest genug Leute neugierig macht, da sie sich gerne auf alles stürzen, was irgendwie "kontrovers" ist.
Negativwerbung ist immerhin besser als keine Beachtung, dieses Maß an Professionalität habe ich mittlerweile kultiviert.

Sollte sie allerdings geflüchtet sein, weil ihr meine beiden Beiträge am Schluß mißfallen haben: "Abend mit Goldrand" ist reiner Schwachsinn, der auch als solcher von vornherein deklariert ist und keinerlei Anspruch verfolgt, außer das Publikum zu unterhalten (was er bisher durchaus tat), "Disco Inferno" ist dasselbe in Grün und entstand für einen Poetry Slam im KOHI... und daraus wiederum etwas über meine schreiberischen Qualitäten abzuleiten, erscheint mir fehlgegriffen, es sei denn, man möchte wirklich mit einem zentnerschweren Brägen aus einer Lesung herausgehen und erachtet eine gewisse Art von sinnbefreiter Komik dort als fehl am Platz.
Klingt wohl mächtig angepißt und nach vorauseilender Verteidigung, aber ich wollte zumindest mal klarstellen, warum ich mich bei Lesungen nicht scheue, auch mal völligen Blödsinn vorzutragen.
Schließlich bin ich nicht Durs Grünbein.

Ansonsten: wie heißt im Schlachtruf meines englischen Lieblingsvereins?

"No one likes us, we don't care".

Und ich bin gerne der FC Millwall unter den deutschen Autoren... solange ich damit Bücher verkaufe.

Ohne tieferen Sinn

Nun isse also da, die Rezension des Leseabends in der RHEINPFALZ; zumindest nur ein Teilverriß, wodurch ich mich bei einem- wie erwähnt- dem Vernehmen nach harten Knochen halbwegs legitimiert fühlen sollte.
Immerhin attestiert mir Fillibeck gute Ansätze; daß er, der die Lesung nicht komplett verfolgte, meinte, die ganze Chose unter die Überschrift "Ohne tieferen Sinn" klopfen zu müssen, ist ärgerlich, lasse ich aber mal unter dem Rubrum "geschenkt" durchgehen...
denn was Kapitel 2 betrifft, mag er im Bezug auf die vorgetragene Passage nicht zwingend Unrecht haben.
Daß man als Autor auch nach einem bisher relativ soliden Durchmarsch gleichfalls nichts geschenkt bekommt, sollte ich mir ebenfalls klarmachen.

Daß hinter der "Kreisklassenhölle" kein tieferer Sinn steckt, mag Herrn Fillibecks persönliche Meinung sein; daß ich für eine Lesung, die immerhin mit dem "Katzenkönig" beginnt, nicht unbedingt die sperrigsten Passagen aus dem Buch auswähle, sondern die unterhaltsamsten, um meine Zuhörer zu nicht Tode zu langweilen, ist meine bisher bewährte Vorgehensweise.
Klingt trotzig? Nein, ich werde mich jetzt nicht schmollend ins Eck verziehen... ich bin 36 und nicht 16, "Kreisklassenhölle" schrieb ich mit 26 in einem Zustand konstanten Zorns und "Katharsis II" wird so sperrig werden, wie es sich Herr Fillibeck wünscht, aber ein Großteil der "Kreisklassenhölle"- Möger wahrscheinlich nicht.
Nach der Lesung ist vor der Lesung.

Sonntag, 28. März 2010

Kaiserslautern- ohne Fußball

Gestern, am 27. 03., hatte ich also eine Lesung im Café 23 in Kaiserslautern.
Meine erste Lesung, auf der die Presse anwesend war... eine nette, ältere Dame von der RHEINPFALZ photographierte mich, mit meinem Buch in der Hand posierend, ich durfte zwei anwesenden Pressemenschen (einem älteren Herrn und einer jungen Frau) irgendwelche Fragen beantworten.
Es hätte so schön sein können... leider erfuhr ich vom Inhaber des Ladens (ebenfalls Schriftsteller), daß der ältere Herr ein ziemlich harter Hund von Kritiker ist, dem man "am besten nur gegenübertritt, wenn man keine Angst vor dem Sterben hat", so daß ich mich schonmal seelisch und moralisch darauf einstelle, am Montag in der RHEINPFALZ komplett entgrätet zu werden. Da muß man wohl auch mal durch.
Ansonsten war das Ambiente sehr angenehm, der Laden ziemlich nett, das Betreiberpaar ebenfalls und die Lesung recht gut besucht, auch von einigen mir bekannten Gesichtern.
Daß einer meiner besten Freunde samt Anhang ebenfalls einlief, war natürlich großartig... auch wenn sich die beiden vor lauter Langeweile auf der Zugfahrt nach Lautern dermaßen zugelötet hatten, daß das Auftreten nicht gerade adäquat zu dem Anlaß war. Ich glaube, da hat an dem Abend wieder jemand was dazugelernt, und sei es nur, daß man sich vor dem Besuch von Autorenlesungen nicht zwingend zugrunderichten sollte, weil sie nunmal weder Rockkonzerte noch Fußballspiele sind.
Das Publikum selbst war anfangs eine ziemlich harte Nuß... ich weiß ja nicht, ob die Leute dachten, es würde meine Konzentration stören, wenn irgendjemand lachen, klatschen oder auch nur atmen würde, aber im ersten Teil herrschte weitgehend Totenstille. Beim langanhaltenden Schlußapplaus war ich ziemlich erleichtert, da ich fast schon fürchtete, die Leute würden nur noch ausharren, um durch ein frühzeitiges Gehen nicht unangenehm aufzufallen.
Nun, warten wir also morgen auf die RHEINPFALZ. Ich klappe schonmal das Visier runter.

Zilpzalp und ausreichend vorhandene Getränke (Leipzig, die Letzte)

Ein Prolog:
Langsam ist der Umstand nicht mehr zu verleugnen, daß ich wohl so etwas wie eine öffentliche Person werde.
Dazu gehört auch die Feststellung, daß- wenn ich hier jemanden in die Pfanne haue- damit rechnen muß, daß die betreffende Person das auch liest, sich in irgendeiner Form bei mir meldet und verständlicherweise nicht übermäßig amüsiert ist.
Nun, zumindest kommt man nicht in den Ruch, im Glauben an vermeintliche Anonymität unentdeckt irgendeinem Schmähschmu frönen zu können... man postet eine Meinung und ist anschließend dazu herausgefordert, zu ihr zu stehen, auch wenn man damit jemanden vor den Kopf stößt.
Man kommt nicht umhin, das eventuell bis zu einem gewissen Grad bedauerlich zu finden; aber dieses Bedauern ändert wenig an den Tatsachen.
Bis jetzt sind die Monster und Mutanten, die ich hier in der Vergangenheit aufmarschieren ließ, weitgehend namenlos; da sich dies in der Zukunft sicherlich ändern wird, sollte ich mir schonmal eine Daunenjacke bereitlegen. Ein kalter Wind wird kommen.
Sollte nun jemand meinen, ich wäre nur darauf aus, in Zukunft eine vakante Stelle im Enfant- Terrible- Bereich einzufordern: um die zu belegen, müßte ich um einiges plakativer werden, und dazu bin ich noch immer zu sehr ich selbst. Was nicht heißen will, daß ich ein ernstgemeintes Angebot in dieser Hinsicht kategorisch ausschlagen würde.

Wo waren wir? Ah ja, Leipzig.
Nach der Lesung Daniela Köglers wollte uns der vive!- Verlag weiter beglücken, also ging es in einen Laden namens "Schlechte Verstecke", wo in einem Hinterzimmer der Kneipe gleich ein Doppelpack auf uns wartete: Iko und Kansbar Wyderle.
Der sehr sympathische Iko (mit dem ich auch in den nächsten Tagen öfter mal zu tun hatte) las "Märchen für Erwachsene" aus seinem Buch "Och nö".
Ich weiß nicht, wie sich diese Geschichten und Gedichte machen, wenn man sie gedruckt vorliegen hat und sie selbst liest; aber vom Autor auf seine eigene, etwas tapsig- charmante Art vorgetragen, entfalteten sie durchaus ihren Reiz und brachten mich einige Male zum Lachen.
Kansbar Wyderle war dagegen ein ziemlicher Kontrast; ein bereits 76 Jahre alter Herr, der aus seinem Roman "Zilpzalp im Weidenlaub" las, mit einer an Johnny Cash gemahnenden leicht brüchigen Stimme und einem damit verbundenen Charisma, das einen in seinen Bann zog.
Zudem ist der Roman, den ich auch gerade lese, nahezu genial: sprachlich ausgefeilt, reich an Metaphern und Details, teils liebevoll- persönlich, teils mit einer geschichtlichen Allgemeinbildung, die faszinierend ist.
Man nehme zum stilistischen Vergleich vielleicht Grass ohne dessen redundantes Geschwafel oder Koeppen; jedenfalls einen faszinierenden Trip durch verschiedene Zeitepochen und Perspektiven, in dem Sätze wie gedrechselt auftauchen, von denen kein einziger überflüssig ist. Ein großartiges Buch; gäbe es eine Gerechtigkeit auf dieser Welt, hätte Herr Wyderle sein schriftstellerisches Talent bereits einige Jahrzehnte früher ausgelebt und stünde heute in Schulbüchern und Kindlers Literaturlexikon.
Stattdessen wurden wir an jenem Abend Zeuge seiner ersten Lesung überhaupt und am folgenden Tag am Stand noch davon, wie er zum ebenfalls ersten Mal sein kürzlich erschienenes Debüt in den Händen hielt.
Ja, Lobeshymnen ist der geneigte Leser von mir wahrlich nicht gewohnt; aber hier sind sie durchaus angebracht.
Danach ging es zurück zur WG, um diese Uhrzeit in Ermangelung öffentlicher Verkehrsmittel gefühlte 3 Kilometer zu Fuß.
Das gab mir zu den auf der Herfahrt genossenen anderthalb Stunden Schlaf endgültig den Rest; hätten die Posaunen zum Jüngsten Gericht gerufen oder die Sirenen der Stadt einen ABC- Angriff angekündigt, ich hätte nicht mal mehr halbwegs interessiert die Augenbrauen gerunzelt.

Nachdem ich nun das Personal in reichlich erschöpfender Weise abgehandelt habe, kann man die nächsten beiden Tage eigentlich durch den Zeitraffer jagen.
Bemerkenswertes:

Spontanlesungen am Stand; am ersten Tag ohne Mikro, aber in Zehn- Minuten- Etappen mit Andrea Mohr und mir (und Iko, glaube ich... weiß ich aber nicht mehr, denn diese Aktion habe ich weitgehend vergessen, was bei derart nicht vorhandener Publikumsresonanz auch nicht verwundert) am zweiten Tag mit Mikro, Hadayatullah Hübsch, der seine Gedichtsammlung "Marock'n Roll" vorstellte, wiederum mir, Iko, Richard K. Breuer und Miriam Spies, die eine Passage des verstorbenen Michael Geißler aus seinen bei gONZo erschienenen Erinnerungen "Acid, Mao und I- Ging" vortrug; dazwischen einen Pausenfüller der besonderen Art: Menschen in Ritterkostümen, die sich in der Nähe unseres Standes befanden, Reklame für irgendeinen Fantasyschinken liefen und mit verteilten Rollen- einmal vernuschelt, einmal röhrend laut- eine Ritterschlacht aus eben jenem Buch vortrugen.
Dazu- an einem Stand in unserer Nachbarschaft- irgendein Wahnsinniger, der im Rahmen seines Vortrags in gewissen vorgegebenen zeitlichen Abständen minutenlang schreiend, kieksend und brüllend mikrophonverstärkt Bongos bearbeitete, bis man den schier unwiderstehlichen Drang verspürte, ihn zu zwingen, diese Dinger zu verspeisen.
Mein Glücksgefühl, nicht mehr bei Book On Demand zu sein, als ich sah, was da aufgefahren wurde: die Reklameplakate, die die Autoren ja- wie alles andere auch- aus eigener Tasche bezahlen müssen, versprachen Pretiosen wie "Die Reisen Magellans in ihrer spirituellen Dimension beleuchtet" und ähnlich weltentrückten Quatsch.
Mein letzter Abend in der WG: zu den grausigen Klängen irgendeines Radiosenders, bei dessen Titelauswahl ich mal wieder mit nutzlosem Wissen glänzen konnte (Moti Special irgendjemand?), arbeitete der gONZo- Tross hart. Und zwar daran, sich sinn- und hemmungslos abzudichten, bis alles zu spät war.
Und ausgerechnet zu Falco's "Vienna Calling" streckte- wie durch Telepathie herbeibestellt- unser Wiener Richard den Kopf kurz zur Küchentür herein, um uns eine gute Nacht zu wünschen.

Ein gutes Motto: durch die böse Zeitumstellung zeigt die Uhr bereits 04 Uhr 31, ich bin- nach meiner heutigen Lesung im Café 23 in Kaiserslautern- rechtschaffen müde und verabschiede mich nun mit einem großen DANKE aus dem Blogkapitel "Leipzig".
Danke an die WG für die Gastfreundschaft, an all die tollen Leute, die ich kennenlernen durfte und hoffentlich wiedersehen werde... und zuguterletzt an Miriam Spies, der ich diese ganzen Erfahrungen verdanke und somit diesen Reisebericht.
Eine gute Nacht. Chrrrn.

Donnerstag, 25. März 2010

Pixie und die Mangahölle (Leipzig 2)

Leipzig ist wirklich eine seltsame Stadt.
Nachdem man zwischen Berlin- West und Berlin- Ost mittlerweile keine nennenswerten Unterschiede mehr feststellen kann, dachte ich mir, das Ausmaß an Gammel in Ostdeutschland hielte sich allgemein in Grenzen.
Jedoch war schon der Blick aus dem Abteilfenster auf der Hinfahrt ab Erfurt von verfallenden Fabrikhallen und Häusern ohne Dach und Fenster in einem Maße geprägt, das mich doch ziemlich erstaunt hat (weit vorne: Weißenfels), und in Leipzig wurde mir der Kontrast noch bewußter.
Renovierte Häuserreihen, häufig mit einem leerstehenden Ausreißer in der Mitte oder am Eck, dessen Fenster fehlen oder mit Brettern vernagelt sind und der fröhlich vor sich hinverrottet, als wäre die Mauer nie gefallen.
Dazwischen ein großer Kuppelbau mit einem Dach, das lediglich aus einer verrostenden Eisenkonstruktion besteht (keine Ahnung, was der einmal darstellte), ein gewöhnungsbedürftiger Bürgersteig, gepflastert mit länglichen, häufig gebrochenen und welligen Betonplatten, die förmlich dazu einladen, sich den Fuß umzuknicken und die Bänder zu reißen, und vor allem: Tags.
Nach Hamburg und Berlin habe ich keine Stadt gesehen, die dermaßen zugesprüht war... für Graffittikünstler muß das ein reines El Dorado sein.
Ich nahm mir also ein Taxi mit einem unfreundlichen Arschlochfahrer, der scheinbar sauer war, weil ich sein Gespräch mit einer Kollegin unterbrochen hatte und mir- da ich den Preis von 8 Euro 70 auf einen Zehner aufrundete- auf meinen Fünfziger 36 Euro rausgab.
Auf meine Frage hin, was das solle, entgegnete er: "Ich dachte, du hättst gesagt, mach 14". Klar, ich gebe immer mehr als 5 Euro Trinkgeld, denn es fällt mir den ganzen Tag einfach so aus dem Ärmel, ohne daß ich dafür arbeiten muß. Vollidiot.
In der WG, in der ich untergebracht war, wartete bereits Dominick Schäfer, ein mitgereister und in den Verlag involvierter Bildhauer, und briet mir erstmal ein Steak. Das nenne ich Service.
Danach ging es zur Messe; meine Lesung war auf 17 Uhr angesetzt, also hatte ich noch etwas Zeit, um mich umzusehen.
Unseren sehr kleinen Stand teilten wir uns mit dem vive! - Verlag und Richard K. Breuer, einem österreichischen Schriftsteller, der seine Bücher generell im Eigenverlag herausbringt.
Ich taperte also hin und her, stattete dem benachbarten "Perry- Rhodan"- Stand einen Kurzbesuch ab, weil ich Klaus N. Frick dort wußte (der aber einen dermaßen überarbeiteten und gestreßten Eindruck machte, daß ich es irgendwann unterließ... stattdessen an dieser Stelle nochmal ein Gruß)und wartete auf meine Lesung, im Geiste die vorzutragende "Heidegger"- Passage nochmal durchgehend, die ich aufgrund der Zeitbeschränkung von 30 Minuten für geeignet und in sich schlüssig hielt.
Was soll ich sagen: der Saal für die Lesung war für viele Messebesucher nur eine Durchgangsstation. Dazu hatte ich das unbeschreibliche Glück, daß man mich nach einem präsenilen sächsischen Autoren lesen ließ, der mit dem Elan von eingeschlafenen Füßen einen Krimi mit Lokalkolorit vortrug, der so spannend war wie eine Verlesung eines Formulars zur Einkommensteuer. Dennoch: gethrillt verharrte das zahlreich anwesende halb eingeschläferte Rentnerpublikum, um in den ersten zwei Minuten meines Vortrags schlagartig und vollständig die Flucht zu ergreifen.
Also las ich vor ca. 8 Leuten, die Hälfte davon noch dazu mit meinem Verlag verbandelt, darunter die wunderbar durchgeknallte Andrea Mohr, die ich das Glück hatte, kennenlernen zu dürfen. Zitat aus Wikipedia:
Andrea Mohr (* 19. Juli 1963 in Neustadt an der Weinstraße) ist eine deutsche Schriftstellerin. Zuvor war sie Drogenschmugglerin und involviert in einige internationale kriminelle Aktivitäten. Sie war fünf Jahre lang, von 1999 bis 2004, im Hochsicherheitsgefängnis für Frauen in Australien, im Dame Phyllis Frost Centre in Melbourne.

Sie, die übrigens sehr offen mit ihrer Vergangenheit umgeht, hat darüber auch ihre Autobiographie "Pixie" verfaßt, und ist ein äußerst unterhaltsamer Mensch, der mittlerweile einen Escort- Service betreibt und darüber wiederum ein Buch geschrieben hat, das bald im gONZo- Verlag erscheinen wird, was uns dann erfreulicherweise zu Labelmates macht.
Sind das die Leute, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben?
Wohl schon. Aber da mich meine Eltern früher wohl auch vor mir selbst gewarnt hätten, kann mir das egal sein.
Ich brachte die Lesung hinter mich (und gewann-immerhin- einen neuen Leser hinzu, der am nächsten Tag am Stand erschien und unbedingt ein Buch wollte)und stromerte mit Andrea und Dominick noch über die Messe, um diverse Biere zu vernichten und die ganzen Eindrücke auf uns wirken zu lassen.
In erster Linie waren das die ganzen verkleideten jugendlichen Manga- und Rollenspieler.
Anfangs fielen sie nur vereinzelt auf, aber im Lauf der nächsten beiden Tage wuchs sich deren Präsenz nahezu zur Seuche aus und machte mich dermaßen aggressiv (vor allem, wenn man, um pissen zu gehen, statt den üblichen zwei plötzlich zwanzig Minuten brauchte und ständig aufgeplusterte Märchenballkleider mit Schleppe, Engelsflügel aus Holz oder spitzohrige Elfen mit Wuschelperücken vor sich hatte, die einem vor Füßen oder Fresse hindernd den Weg versperrten), daß ich mir echt einen Securitydienst herbeisehnte, der das ganze Geschmeiß aus der Halle prügelte. Der kam aber nicht... stattdessen durfte man sich in den Rauchpausen im Innenhof das Gequieke rumpeldummer Märchenfiguren anhören, die Sätze durch die Gegend schrien wie "Du hast doch bereits ne Fahrkarte gekauft, du Drops!" Jahaha.
Abends ging es dann auf dem Zahnfleisch zu zwei Lesungen des vive!- Verlags.

Zuerst las in einer- oh Schreck, oh Graus- "Frauen und Lesben"- Bibliothek Daniela Kögler, die dort nicht weniger deplaziert wirkte als Dominick und ich.
Daniela Kögler ist Model und arbeitet in der Werbebranche.
Daniela Kögler ist außerdem- wovon ich mich in den nächsten beiden Tagen während gemeinsamer Zeit am Verlagsstand überzeugen konnte- nach kurzzeitiger Anlaufphase eine durchaus freundliche und sympathische Person.
Aber Daniela Kögler kann leider nicht schreiben, nicht für fünf Pfennig.
Ihr dargebotenes Buch "Good Morning Dornröschen" (sic!) war demzufolge auch ein Konglomerat aus Plattheiten, beheimatet in der tiefsten Hera- Lind- Hölle, Tautologien ("War ich nun naiv... oder einfach leichtgläubig?") und unwitzigem Humor.
Zum Glück ist diese Frau nicht so grunzdumm wie ihr Oeuvre... trotzdem kam mir während der Lesung eine Erinnerung wieder, die bei mir fast für einen hysterischen Lachanfall gesorgt hätte, so daß ich unter den erstaunten Blicken von Dominick und meiner Verlegerin Miriam mitten in der Veranstaltung begann, in mich hineinzuprusten.
Mir fiel mein Klassenkamerad Alexander Christ wieder ein, der mich bei einer unendlichen Rede unserer damaligen Direktorin plötzlich antippte und meinte:
"Kennst du den Film 'Die unglaubliche Reise in einem verückten Flugzeug'? Die Szene, in der der Pilot labert und sich sein jeweiliger Sitznachbar umbringt? Ich übergieße mich gleich mit Benzin und zünde mich an."
Die Tatsache, daß mein Heiterkeitsausbruch auf den Umstand zurückzuführen war, daß ich mir vorstellte, wie ich mich aus einem unter dem Stuhl hervorgezogenen Kanister gleich mit Benzin übergießen und in Brand setzen würde, sagt wohl genug über den Charakter der Veranstaltung aus.

Apropos: genug gelabert. Den Abschluß meines Erlebnisberichts gibt es in Teil 3.

Mittwoch, 24. März 2010

Die Leiden des jungen G. (Leipzig, Teil I)

Die Reise zur Leipziger Buchmesse begann bereits mit Komplikationen:
am Nachmittag des 17. eröffnete mir die arrogante Dame am Auskunftsschalter der Deutschen Bahn, daß ich mit meinem Sonderticket nicht den Nachtexpreß nehmen könne; es ginge aber ein Zug um 3 Uhr 33 mit zweimaligem Umsteigen in Mannheim und Frankfurt, der dann um 09 Uhr 45 in Leipzig wäre.
Also ging ich erstmal zur Arbeit in Gaggenau, meine große Reisetasche hinter mir herschleifend, und überlegte mir nach meiner Rückkehr nach Karlsruhe um 22 Uhr, wie ich die restliche Zeit totschlagen könne.
Schließlich einigten sich Körper und Geist darauf, daß es am sinnvollsten wäre, etwas Clubähnliches aufzusuchen. Also verschlug es mich ins K5, in dem zum Glück wenig los war, ich ein paar Bekannte traf und mir einige Biere in den Kopf stellte.
Und das war das Problem. Im Regionalexpreß nach Mannheim machte mir schon nach fünf Minuten Fahrt unmäßiger Harndrang zu schaffen.
Ich begab mich auf den Weg zum Bahn- WC, wo mein tränend' Auge folgende unheilvolle Botschaft erblickte: "DIESE TOILETTE IST DEFEKT".
Heidewitzka, Herr Kapitän.
Als ich dann nach einer Stunde unmenschlicher Qualen in Mannheim dieser Folterkammer von Zug entstieg, hätte ein Tropfen jeder beliebigen Flüssigkeit gereicht, um alle Dämme zum Bersten zu bringen.
Demzufolge pißte ich im ICE nach Frankfurt erst einmal gefühlte 9 Minuten, mir dabei vorkommend wie sämtliche wiedergeborene Christen auf einmal.
Entspannt ließ ich mich nieder... und muß kurz weggenickt sein, ohne es zu merken, denn meine nächste Erinnerung ist eine Menschenmeute, die zum Ausgang strebte und der ich mich anschloß, im festen Glauben, in Frankfurt/Main angelangt zu sein.
Ich stieg aus, die Bahn fuhr ab, und auf dem Weg zu meinem Gleis fiel mein Blick plötzlich auf die Standortbestimmung "Bonn Hbf".
Ähm, Moment. Hin zum Kasten mit dem Fahrplan, Blick auf die Kopfzeile:
"Bonn Hbf". Ach. Du. Scheiße.
Was tun? Nach Ratschlag des Mannes am Fahrkartenschalter wieder zurück nach Frankfurt.
Zum Glück war der Schaffner in der Bahn so kulant, nach kurzer Erläuterung meiner Situation keine Zuzahlung zu verlangen. Besten Dank an den unbekannten Schnauzbartträger.
Als ich letztendlich doch noch glücklich im ICE nach Leipzig saß und mich darauf freute, zumindest noch drei Stunden schlafen zu können, rüttelte mich nach einer Stunde Nickerchen in unglaublichsten Verrenkungen in einem höllisch unbequemen Sitz jemand an der Schulter. Ich säße auf seinem reservierten Platz.
Da der Zug proppenvoll war, also runter auf den Boden, völlig übermüdet die gegenüberliegenden Müllfächer anstierend und ab und zu die Beine etwas ausstreckend, daß Toiletten- oder Bordbistrogänger problemlos drübersteigen konnten.
Irgendwann- es mußte wohl Eisenach gewesen sein- wurde tatsächlich ein Platz auf einem Vierersitz frei, bei drei mittelalten Herrschaften.
Zum einen waren das Onkel Alfons und Tante Trude aus Scheiß die Wand an woher auch immer- es schien wohl jedenfalls eine Gegend mit landwirtschaftlicher Nutztierhaltung zu sein.
Neben mir saß ein wie aus der Zeitung ausgeschnitten aussehender Klischee-morgens- um- 9- am- Kiosk- Steher- und- Zinn-40- Trinker, der dann auch prompt und ungelogen ein Heringsbrötchen mit Zwiebelringen auspackte, um es zu vertilgen, und mir wurde schlecht.
Das Ding stank nicht nur wie ein drei Tage ungewaschenes Gemächt, es offenbarte bei einem flüchtigen Seitenblick nach mehreren Bissen des Barbaren auch ein maddrig rosafarbenes Innenleben von kaulquappenähnlicher Konsistenz.
Ich hatte keine Ahnung, was das war, aber mein leerer Magen begann zu rotieren, und ich versuchte aus dem Fenster starrend krampfhaft, meinen aufsteigenden Würgereiz zu unterdrücken... bis ich letztendlich dann doch um 11 Uhr 45, zwei Stunden später als vorgesehen, Leipzig erreichte.
Völlig gerädert zwar, aber guter Dinge und nach langen Stunden ohne Nikotin die beste und leckerste Zigarette der letzten Wochen rauchend.
Und wie die Buchmesse verlief, könnt ihr in Kürze in Teil 2 meines Reiseberichtes lesen.

Dienstag, 16. März 2010

Leipziger Buchmesse

Ein adäquates Mittel, um mal auf andere Gedanken zu kommen:

morgen Nacht geht es also zur Leipziger Buchmesse, und das nicht als Besucher.

Sollte jemand von meiner geneigten Leserschaft dort anwesend sein (man weiß ja nie, wo dieser Blog überall gelesen wird), findet er mich in

Halle 2, Stand G209.

Bin mal gespannt, wen ich alles an "Kollegen" treffe, zumindest Daniel Prohart sowie Klaus N. Frick werden an anderen Ständen anwesend sein, denke, ich werde hier einiges zu schreiben haben, wenn ich zurück bin.

Also: gehabt euch wohl und bis die Tage!

Sonntag, 14. März 2010

Georg.

Georg Hornbach traf ich 1996 auf dem Speyer- Kolleg, wo wir auf dem Zweiten Bildungsweg unser Abitur nachholten.
Er war zwei Stufen über mir, wohnte aber ebenfalls im Wohnheim, wo wir uns kennenlernten.
Ein etwas exaltierter Schwuler (mit klischeegerecht abscheulichem Musikgeschmack) in meinem Alter, eine Eigenschaft, die natürlich Stoff für allerlei Witzchen bot, die er mir aber nicht krummnahm, was ich sehr an ihm schätzte. Aber nicht nur das, sonst gäbe es diesen Post nicht.
Nach seinem Abitur ging er ausgerechnet nach Rostock, um dort Agrarökologie zu studieren... wir hielten aber trotzdem losen Kontakt, und nach seiner Rückkehr in die Pfalz war ich auf seiner Geburtstagsfeier.
Eine seltsame Erfahrung, denn abgesehen von einem Mann-Frau- Pärchen war ich scheinbar der einzige Anwesende, der nicht homosexuell war. Das reinste Grenzexperiment.
Man verlor sich danach wieder aus den Augen... irgendwann, es mag vor vier Jahren gewesen sein, besuchte er mich einmal in Karlsruhe, dann vergaßen wir wieder die Existenz des jeweils anderen, plötzlich erschien er auf wkw, wir schrieben uns, dann tauchte er wieder unter.
Eine stete Wellenbewegung, herangespült und wieder weggetrieben, ein Mensch, den man trotz manchem Nervpotential einfach gernhaben mußte, da er sich unverstellt Sorgen um das Wohlbefinden seines Gegenübers machte, wobei er sogar sein eigenes aus den Augen verlor, jemand, mit dem man lachte, trank, tiefschürfende Gespräche führte und sich verstanden fühlte, wenn einem wirklich etwas auf dem Herzen lag, denn er war immer jemand, der anderen mit großer, ungekünstelter Offenheit und positiver Neugier gegenübertrat.

Lachte. Trank. Fühlte. Die Vergangenheitsform.
Die letzte Welle trieb ihn auf das offene Meer hinaus.

Es ist mir egal, was jetzt irgendjemand denkt, es ist mir egal, was ich früher dachte, als ich irgendwelche literarischen Gedenksteine für reichlich überflüssig hielt, denn das hier drängt, das hier will und muß einfach hinaus in die Welt, da jemand nicht einfach vergessen werden darf, während sich alles weiterdreht, als wäre nichts passiert:

Lieber Georg, egal, wo du jetzt sein magst: laß es dir gutgehen. Was Besseres als hier wirst du auf jeden Fall finden.
Es sei dir gegönnt.

Deus ex machina (2010)

Manchmal ist das Leben doch eines der Schönsten.
Nachdem ich stundenlang versucht hatte, Studiogäste aufzutreiben, und dann den Studio-23- Jens endlich mal erreichte, um überhaupt einen Schlüssel für den Übertragungsraum zu haben, erfuhr ich, daß keine Saphire verfügbar wären, um LP's abzuspielen, was einen Teil meiner mitgeführten Platten sinn- und wertlos machte.
Die Aussicht, die Nacht alleine zu verbringen und mit den mitgeführten CD's die Sendung zu bestreiten, war nicht gerade erbaulich.
Trotzdem begab ich mich zum Studio, das bereits von den Teilnehmern irgendeiner Elektroclubnacht belagert wurde, die sich im Termin geirrt hatten.
"Radio Bronkowitz? Sorry, wir dachten, wir sind heute dran! Scheiße, tut uns echt leid... wir hören dann auf."
"Jungs, ihr kommt mir wie gerufen. Macht weiter, und ich gehe nach Hause."

Das Leben kann manchmal so einfach sein.

Freitag, 12. März 2010

Morgen Radio Bronkowitz!

Samstag auf Sonntag (13.14. März), 0-6 Uhr auf dem QUERFUNK, wie gehabt.

Wenn es ganz dumm läuft, muß ich die Sendung alleine bestreiten, wer also denkt, er könnte einen guten Studiogast abgeben und ein paar gute Platten daheim hat, die er der Menschheit unbedingt vorstellen möchte (GUTE Platten! Bei mir läuft zwar oft Scheiß, aber für Lacrimosa, In Extremo, Bob Marley oder Gary Moore fährt an meinem Bahnsteig definitiv kein Zug, da bin ich diktatorisch), darf mich hier gerne kontakten... oder morgen Nacht um 23 Uhr 45 vor dem Studio auftauchen und seine Plattenkiste mitbringen.

Also: Bier kaufen, Freundin, Freund oder Mitbewohner in den nächsten Club schicken, Radio oder Stream aufreißen und sich im Verbund mit mir zulöten. Hüa.

Mittwoch, 10. März 2010

King Bronkowitz

Ich glaube, zu den häufigsten Fragen, die mir in letzter Zeit gestellt wurden, gehört die nach der Herkunft dieses Pseudonyms.
Nun gut, für was hat man einen ebenso benannten Blog? Man kann ihn ganz wunderbar dafür nutzen, zumindest den geneigten Lesern die Herkunft aufzudröseln.

Es war Mitte der 90er in Speyer, als ich zusammen mit einigen damaligen Mitbewohnern im Zustand fortgeschrittener geistiger Unzurechnungsfähigkeit "Kentucky Fried Movie" schaute, samt dem darin enthaltenen Running Gag "Samuel L. Bronkowitz präsentiert...".
Das nahmen ich und mein bester Kumpel Bast sowie der ebenfalls anwesende Herr Genuit (eine Speyrer Rock'n Roll- Legende in einer an Legenden erstaunlich reichen Kleinstadt) zum Anlaß, uns nachfolgend ständig mit "Bronkowitz" anzureden.
Damals firmierten Bast und ich noch als DJ- Team... und schafften es, in fast jedem Laden nur einmal aufzulegen.
Entweder wurden wir nicht mehr gebucht, was seine Wurzeln sicherlich in einem damals legendären Konsum von dunklem Hefeweizen hatte (mit Mitte 20 konnte man noch einiges vertragen),oder die Läden schlossen kurz nach unserem Auftritt die Pforten (wobei ich die Verantwortung hierfür ausdrücklich zurückweise).
Als Name unseres DJ- Teams hatten wir uns "Gebrüder Bronkowitz" ausgewählt und zogen also als falsches Geschwisterpaar im Stile von Meg und Jack White marodierend durch Südwestdeutschland.
Zu jener Zeit meldete ich mich im Forum der Zeitschrift "Musikexpress" an... ein Schritt, der aus heutiger Sicht nicht mehr ganz nachvollziehbar erscheinen mag.
Damals war er es wohl auch nicht... war der ME doch als Rentnerblatt verschrien.
Dennoch gab es einige Autoren, deren Stil ich ungeheuer beeindruckend fand: Albert Koch etwa, den bereits erwähnten Michael Sailer oder den grandiosen Josef Winkler.
Da die ebenfalls im Forum posteten, sah ich es als eine interessante Option, mit eigentlich unerreichbaren (dachte ich damals) Autoren auf Augenhöhe zu kommunizieren und meldete mich an.
Nickname: natürlich "Bronkowitz". Aber irgendwas fehlte noch... "King Bronkowitz" klang besser. Und da hatten wir den Salat.

Wie das Ganze in den letzten Jahren ein Eigenleben entwickelte, einfach dadurch, indem ich diesen Nick kultivierte, er bald privat zu meinem Spitznamen wurde und ich ihn für jegliche außerliterarische Aktivität verwendete, überrascht mich manchmal heute noch.
Mittlerweile ist er eine Art alter ego; auch wenn der Blogtitel genauso spontan entstand wie der Name selbst.
Aber ich habe festgestellt, daß er auch ganz gut zur Differenzierung taugt: ich weiß ja von mir selbst, daß meine gelegentliche Lust an der Polemik, meine manchmal konstante Griesgrämigkeit und Misanthropie zusammen mit dem Umstand, daß ich schon als Kind abseitigen Humor und Monty Python's Flying Circus mochte und auch in meiner Radiosendung gerne Lust auf hemmungsloses Schwachmatengelabere habe, durchaus ein fertiges Puzzle ergeben; jedoch erleichtert es wohl einigen Leuten die Einordnung, wenn ein durchgeknallter Zwillingsbruder parat steht.
Sogar daran gewöhnt man sich; und mittlerweile macht es auch Spaß, Bronkowitz sein zu können, ohne gleichzeitig Gaffory zu sein.
Und umgekehrt.

Der freie Wille

Abgesehen davon, daß mich sogar meine eigene Mutter unlängst einen Macho nannte, bin ich im Hinblick auf Darstellungen von Sexualität in Bild und Ton eigentlich ein Ästhet.
Ich mag weder Filme mit stumpfem Kaninchengerammel, noch mit Pisse und Scheiße oder mit Frauen, die sich besinnungslos mit abstrusen Gerätschaften traktieren.
Ganz schlimm- auf den Punkt gebracht, geradezu brechreizerregend- ist die Kombination "Sex und Horrorelemente" bzw. ganz allgemein "Geschlechtsakt und Gewalt".

Deswegen scheute ich auch solange vor "Der freie Wille" zurück, ein mehrfach prämierter deutscher Film mit Jürgen Vogel, in dem er einen verurteilten Vergewaltiger spielt... laut Ankündigung ein verstörendes Drama, das dem Zuschauer alles abverlangt.
Abverlangt hat er mir im Vorfeld schon einiges... ich weiß nicht, wie oft ich die Arthaus- DVD in der Hand hatte und sie wieder zurück ins Regal stellte, in vorauseilendem Grusel bezüglich einer bereits im Vorfeld angekündigten Vergewaltigungsszene.

Gestern habe ich mich dennoch überwunden, bevor ich in die Lage kam, länger darüber nachzudenken.
Und es war hart... nachdem ich "The Wrestler" von Darren Aronofsky (ja, genau jener mit Mickey Rourke in der Hauptrolle) gesehen hatte und bereits eine emotionale Grenzerfahrung dieses Jahr hinter mir hatte, konnte mich der "Freie Wille" glücklicherweise nicht mehr so erschüttern, wie er es wahrscheinlich in Prä- Wrestler- Zeiten getan hätte.
Dennoch bestimmt kein Film, den man unbedingt bei einem DVD- Abend mit Freunden auf die Prioritätenliste setzen sollte.

Meine Kritik dazu in einem Forum:


Jürgen Vogel (groß-ar-tig) spielt den verurteilten dreifachen Vergewaltiger Theo, der aus dem Maßregelvollzug entlassen wird und versucht, sich in der Normalität zurechtzufinden. Er wohnt in einer betreuten WG und beginnt, in einer Druckerei zu arbeiten.
Spätestens, als er immer wieder in Situationen gerät, in denen er sichtlich Mühe hat, seinen Trieb zu kontrollieren und zudem noch eine Beziehung zu der emotional gestörten Tochter seines Chefs beginnt, weiß man, daß der Film böse enden wird.
Vogel spielt den Vergewaltiger nicht als sinistres Monster, sondern als innerlich zerissenen, getriebenen Menschen, der zwischen Schuldgefühl und innerem Drang hin und her pendelt.
Dabei wird trotzdem nicht versucht, Sympathie für den Täter aufzubauen oder seine Taten zu entschuldigen.
Dementsprechend beginnt der Film gleich mit einer äußerst brutalen Vergewaltigung, die letztendlich zu Theos damaliger Verhaftung führt und dem Zuschauer einiges an Schmerzresistenz abverlangt, um sich nicht übergeben zu müssen (interessant auch das Interview mit Vogel über den Dreh dieser Szene... man erfährt, daß er und die Darstellerin als Codewort zum Abbruch "Osterhase" vereinbart hatten, wenn es ihr zu heftig wurde, da "nein, laß mich in Ruhe, hör auf" ja zum Rollendialog gehörte).
Auch ansonsten gibt Jürgen Vogel alles... er macht die Einsamkeit des Protagonisten spürbar, und gerade in den Momenten, wenn man fast Sympathie für ihn verspürt, kommt eine Szene, die diese wieder kaputtmacht.
Und "harte" Szenen gibt es in diesem Film en masse... abgesehen von den Vergewaltigungen (drei an der Zahl in diesem Film, zwei, an denen Vogel beteiligt ist) gibt es noch eine reichlich unappetitliche Masturbation zu einem Pornofilm, die für Zartbesaitete wohl auch unerträglich sein dürfte, dies nur als Warnung.
Daß der Film gegen Ende doch einige Längen hat und einem Sabine Timoteos gar zu hysterische Darstellung ebenda ziemlich auf den Wecker gehen kann, was auch zu leichten Punktabzügen führt- geschenkt.
Eine nüchterne, harte und dazu noch reichlich spartanisch gefilmte Sozialstudie, die dem Zuschauer wirklich alles abverlangt.

8/10

Dienstag, 9. März 2010

Einen hab ich noch...

nämlich einen Uraltpost, der mir wiederum beim Ausmisten meines My Space- Blogs in die Hand gefallen ist. Und das ist dermaßen großer Schwachsinn, daß ich beim Lesen selbst darüber grinsen mußte... wer "Radio Bronkowitz" mit meinem alter ego King Bronkowitz kennt, weiß auch, wie sehr ich sowas mag.

Deshalb hier nun also


"Das Volk will Seeleneiter!"- Die Autobiographie des King Bronkowitz (2010er- Remix)

Selbiges schrieb mir kürzlich eine Freundin, als ich erwähnte, daß ich blogge. Wahrscheinlich hatte sie recht, und ein Blog wird nur dann interessant, wenn man sein Innerstes nach außen stülpt...
So soll es denn sein. Also hier nun zum ersten und letzten Mal meine abgrundtief traurige, aber bewegte Lebensgeschichte, auf daß meine geneigte Leserschaft künftig weiß, mit wem sie es zu tun hat:

Mit neun Jahren erwischte ich meinen großen Bruder beim Geschlechtsverkehr mit einem Rauhhaardackel, den mir meine Eltern kurz zuvor zum Geburtstag geschenkt hatten. Zutiefst traumatisiert von diesem Erlebnis, flüchtete ich zu einem rumänischen Wanderzirkus, der bei uns in der Nähe gastierte, und bat um Aufnahme.
Man tat mir den Gefallen, doch ich wurde dort schlecht behandelt. Man schlug mich, und als ich es trotz hartnäckigem Probens nicht fertigbrachte, auf den Händen zu gehen und dabei auf einem Gestell voller Ballonhupen "Ich hatt einen Kameraden" zu tröten, verkauften mich die Direktoren, siamesische Zwillinge namens Aga und Lal, die dafür bekannt waren, bei Tag und Nacht einen Möbelschoner auf dem Kopf zu tragen,für einen Korb voll Brezeln an einen Unternehmer aus Tirana, der mich in eine rußgeschwärzte Fabrik verfrachtete, in der Hundedärme fritiert und dann eingedost wurden, was als Grundnahrungsmittel diente.
Auch dort wurde ich geschlagen und erhielt nichts zum Anziehen.... außer ein paar schweren Stiefeletten aus dunklem Roggenbrot, die den Vorteil hatten, daß ich sie ab und zu mit Butter bestreichen und ein Stück davon abbeißen konnte, was oft meine einzige Mahlzeit des Tages war.
Kurz darauf wurde ich in einem beispiellosen Kuhhandel nach Lagos verschachert... und fand mich in einer riesigen Lagerhalle wieder, wo ich im Verbund mit 200 blinden, behinderten Negerkindern sackartige Überwürfe aus mundgekämmtem Maulwurfsfell für übergewichtige Amerikanerinnen zu nähen hatte.

Als ich 17 war, gelang mir schließlich die Flucht. Ich versteckte mich im Frachtraum eines zufällig vorbeifahrenden Sattelschleppers aus Lübeck und gelangte so wieder nach Deutschland.
Mit Hilfe meines Sozialarbeiters fand ich dort auch schnell wieder Anschluß und heiratete recht bald meine erste große Liebe, die zwar häßlich war wie ein Grottenolm (oder wie ein großer Karpfen, das ist Ansichtssache), aber ein Herz aus Gold hatte.
Kurz darauf brannte sie mit einem Gnudompteur aus Zwickau durch, was mich aber nicht daran hinderte, noch viermal zu heiraten, jedesmal unglücklich.
Meine zweite Frau war in Wirklichkeit ein Mann, die dritte war auch ein Mann und schlug mich noch dazu, die vierte war ein Pferd und noch dazu Alkoholikerin, und die fünfte hatte eine chemische Reinigung.
Und so sitze ich also hier, bin einsam, und verbringe meine Zeit mit dem Sortieren kleiner Kupferdrähte, über deren Länge ich fundierte Statistiken erstelle... eine Tätigkeit, die zwar Balsam für meine gepeinigte Seele ist, aber niemals restlos den Kummer vertreiben kann. Wenn er mich übermannt, liege ich in meiner abgedunkelten Wohnung und beginne einfach, hemmungslos zu weinen, oft stunden-, wenn nicht sogar tagelang, um meine Seele zu reinigen.
Aber manchmal... ja, manchmal packt es mich, dann ziehe ich mich nackt aus und schleiche verstohlen durch abgedunkelte Seitenstraßen, dabei ein Stück rohe Entenleber auf dem Kopf balancierend, weil mich das sexuell erregt.
Ja, ich brauche was zum Knattern.
Deswegen gab ich neulich sogar eine Kontaktanzeige auf, aber ich glaube, ich hatte sie etwas ungeschickt formuliert.

Bisher hat sich auf "Frische Pudelscheiße im italienischen Maßanzug sucht..." jedenfalls noch niemand gemeldet.

Teil 3 und anderer Crap

Am 04.03. hatte ich ein Heimspiel: Lesung in Pierre's Bistro in der Bürgerstraße.

Nachdem ich die Lesung dummerweise auf 20 Uhr 30 angesetzt, aber Spätschicht hatte, die ich mit niemandem tauschen konnte, arbeitete ich bis kurz vor Beginn und ließ mir dann ein Taxi kommen, das mich zum Bistro karrte.
Zum Glück fuhr dieser Mensch wie ein Henker, so daß ich erstaunlicherweise schon 20 Uhr 35 am Veranstaltungsort war... eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man über keinen Warp- Antrieb verfügt.
Das Publikum war zum Glück zahlreicher als in Mainz (geschätzt knapp über 20 Leute, was in solch einem kleinen Laden einen guten Eindruck macht), aber es gab ein kleines Problem:
abgesehen davon, daß ich vergessen hatte, wie laut es in solch einem Laden ist, nachdem ich in letzter Zeit nur in für jenen Abend hergerichteten Räumen aufgetreten bin, in denen halt keine Leute ein- und ausgehen (der Nachteil, wenn es keinen Eintritt kostet und keine geschlossene Gesellschaft ist), Bier bestellen und eine Segafredomaschine herumgurgelt, frage ich mich, warum man- will man sich gegenseitig sein halbes Leben erzählen- sich ausgerechnet die einzige Kneipe im Umkreis von 1000 Metern aussucht, in der eine Autorenlesung stattfindet und ein Typ mit Mikro an einem Tisch etwas vorträgt.
Anfangs fand ich noch ermahnende Worte, dann war ich so im Text, daß ich das Geplapper ignorierte, bis mir daheim ein Unterschied klar wurde:
früher konnte ich froh sein, wenn ich irgendwo lesen durfte und mußte Geschwätz in Kauf nehmen, wenn ich in einer Kneipe auftrat; heute kommen die Leute zu mir und nicht ich zu den Leuten.
Demzufolge werde ich nächstes Mal nicht mehr weiterlesen, bis irgendwelches Blödvolk entweder die Fresse hält oder den Laden verläßt.
Man mag das für erste Anflüge von Arroganz halten, aber das muß ich mir nicht ziehen.
Nichtsdestotrotz: Danke an Pierre's Bistro für den ansonsten gelungenen Abend, danke an Alex Schmidt für das Organisieren von Mikro und Verstärker (meine Soundprobe lautete eingedenk Gadaffis bzw. Ronald Reagans berüchtigtem Sinn für Humor "Die Bombardierung der Schweiz beginnt in fünf Minuten"... meine eidgenössischen Leser mögen mir verzeihen, daß ich ihr Land meinem ersten Lacher des Abends geopfert habe), und danke an das Publikum auf den letzten drei Lesungen. War schön mit euch!

Kommen wir zum Crap: nachdem sich meine beiden derzeitigen Arbeitgeber als komplette Saftläden herausgestellt haben, wovon mein Haupteinsatzort derzeit noch dazu von einer Kündigungswelle geflutet wird, die von den Leuten ausgegangen ist, wegen denen ich eigentlich überhaupt dort angefangen habe, und ich zudem eine absolute Höllenwoche mit 14 Tagen Durcharbeiten inklusive zweier Doppelschichten hinter mir habe, sagt mir mein Körper, daß es wieder an der Zeit wäre, um Tabula rasa zu machen.
Genau das werde ich diese Tage tun...
und da ich keinerlei Nerv mehr habe, in der Pflege zu arbeiten, nutze ich jetzt das World Wide Web für ein Stellengesuch:


Autor sucht neues Tätigkeitsfeld als Schreiber für Print- und Onlinemedien, bevorzugt im Bereich Populärkultur. Gerne auch freiberuflich.
Referenzen: eine Romanveröffentlichung, Erfahrung als Poetry Slammer, Blogger und Moderator in einem Internetforum.
Bevorzugt im Raum Karlsruhe, gerne auch Frankfurt/Main, München, Hamburg oder Berlin.
Ernstgemeinte Zuschriften mit Möglichkeit der Kontaktaufnahme gerne als Comment zu diesem Blogeintrag.


Schauen wir mal, was passiert. Wahrscheinlich nichts, aber man will sich nicht nachsagen lassen, nicht alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen zu haben.

Freitag, 5. März 2010

Teil 2

Nun, wie bereits vor geraumer Zeit angedroht, Teil 2 (edit: diesmal in der Vergangenheitsform, ich hoffe, das erfordert nicht zuviel Umdenken):

Der Hänfling in Mainz

Nachdem wir bereits im Rahmen einer geradezu aberwitzigen Promoaktion auf 5 Exemplare der "Kreisklassenhölle" geschossen hatten, und zwar mit allem, was das Arsenal so hergab (Luftgewehre, eine Lugernachbildung und- zur Krönung des Irrwitzes- eine Armbrust), wobei das Schräge an der Geschichte war, daß ausgerechnet Leute, die gerne ihren Pazifismus zur Schau tragen (sorry, nicht böse gemeint, aber ihr wißt, wer gemeint ist... ich bin es nicht. Mit Sicherheit.) nicht nur auf die Idee zu dieser Aktion kamen, sondern auch durchaus erpicht darauf waren, herumballern zu dürfen, folgte letztendlich die Lesung im Hänfling.
Ein reiner Kifferladen, eine Galerie aus Bongs in allen Größen, Shishatabaken und Büchern über die Kunst des Anbauens und Dichtmachens.
Zuerst fühlte ich mich sehr befremdet, weil ich diesen Teil der Welt schon seit Jahren bewußt verlassen habe, saß erstmal backstage, las die aktuelle Ausgabe des Rock Hard, die gerade herumlag, und fühlte mich wichtig.
Viele Gäste hatten sich nicht in den Hänfling verirrt, aber trotzdem- es lag vielleicht an der Wohnzimmeratmosphäre in dem Laden- ging mir die Lesung recht locker von der Hand, das Publikum reagierte sehr gut auf manche Pointen, und ich mußte sogar eine Zugabe geben, was nicht allzuhäufig vorkommt, da die Leute nach fast zwei Stunden Gelaber meinerseits meistens ziemlich platt sind.
Das Betreiberehepaar war übrigens sehr nett, und ich kam sogar in die ebenfalls ungewohnte Situation, daß der männliche Part unbedingt ein Erinnerungsphoto mit mir haben wollte. Das war auch seltsame Rockstarscheiße, aber zumindest habe ich lange genug von der Hand in den Mund gelebt, um meine 15 Minuten Ruhm nicht zu genießen.
Danach ging es noch ins Kulturzentrum PENG auf ein Absackerbier, bevor ich mir mit Miriam Spies noch ein Taxi leistete, das mich Richtung Gästebett zur Wohnung in MZ- Gonsenheim geleitete.
Und ein paar Stunden später stand ich schon wieder am Mainzer Hauptbahnhof und wartete auf die Bahn nach Karlsruhe, die mich quasi zu meiner anstehenden Spätschicht karren sollte.
Der Alltag hatte mich wieder, und der Alltag "esch ä dreggischie Sau" (J.P. Bast)
Und so war es denn auch.