Mittwoch, 16. Februar 2011

Reis- Leinöl- Diät

Es muß einen Weltgeist geben... und er hat eine seltsame Art von Humor.

So schickte er mich heute als Krankheitsvertretung einen Tag lang arbeitenderweise in eine Homöopathenhölle.
Ich betrat das Dienstzimmer und traf auf Leute mit Dreadlocks, die Knäckebrot aßen und ungesüßten Tee aus großen Kannen nachschenkten.
Dann wurde ich darüber belehrt, daß auf dem ganzen Gelände Rauchverbot sei... wolle ich rauchen, dann müsse ich mich umziehen und in Straßenkleidung zum Bürgersteig vor dem Haupteingang gehen, damit das Haus kein schlechtes Image bekäme.
Die Patienten dort hatten hauptsächlich chronische Schmerzen, denen man versuchte, mit Quark- und Kümmelölverbänden und Ingwersäckchen Herr zu werden.
Zum Kaffee gab es Muckefuck und sanfte Tees; nichts sollte die Schützlinge in Aufregung versetzen, schon gar nicht die, die das nach anthroposophischen Gesichtspunkten kreierte Pulvermedikament einnehmen mußten, das sie entspannen und gleichzeitig mit schierer Lebensfreude erfüllen sollte.
Das Abendessen war natürlich streng makrobiotisch; Gemüsebrühe und -saft sowie Camembertwürfel auf Brunnenkresse.
Manche Patienten fasteten auch; es gab das Saftfasten und die Reis- Leinöl- Diät.
Ein Lichtblick war die Ankündigung eines gepflegten Happens von einem Personalbüffet; überflüssig zu erwähnen, aus was dieser bestand.
Gerollte Salatgurkenscheibchen mit Dill, rohe Möhrenwürfel, undefinierbarer Kuchen in mundgerechten Happen(scheinbar aus Biovollkornteig mit Fitzeln von Löwenzahn und Rübenstrünken) und derlei weitere schwer zu beschreibende Katzenfickerscheiße.
Zur Krönung hing an exponierter Stelle im Dienstzimmer noch eine Karte mit folgender ironiebefreiter Aufschrift:
"Manche Leute rauchen nicht, trinken nicht, entsagen jeglichem Genuß und essen nur Gemüse. Als Strafe dafür werden sie 100 Jahre alt!"
Davon abgesehen, daß niemand aus meinem Berufsfeld, der noch alle Tassen im Schrank hat, auch nur annähernd 90 werden will, erinnerte mich das an ein Zitat aus der TITANIC:
"Diese Gesundheitsapostel vergessen gerne, daß ein Leben nicht unbedingt dadurch sinnvoller wird, indem man es verlängert."

Auf mich hatte das ganze Ambiente durchaus eine Wirkung.
Noch nie (NIE) hatte ich den dermaßen schwer bezähmbaren Drang, mir an Ort und Stelle zwei Lines Koks auf dem Tisch zu legen, danach Fluppen und einen Flachmann aus der Tasche zu ziehen und meine Zähne wie ein ausgehungerter Hund in irgendwas Ekliges zu schlagen, das ich normalerweise nicht mal mit Handschuhen anfasse... Eisbein mit Sauerkraut, zum Beispiel.
Auch jetzt noch erzeugt die Erinnerung daran bei mir einen reflexhaften, fast panischen Griff zu Bier und Zigaretten.

Immerhin: es war eine Erfahrung, dermaßen weit weg von dem Planeten, auf dem ich normalerweise hause, daß es das schon fast wieder interessant machte. Fast.
Zumindest konnte ich sie schreiberisch verwerten; ansonsten glaubt einem sowas doch kein Schwein.

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