Mittwoch, 2. November 2011

Verriß 1: Body Count: Cop Killer

(erstmals veröffentlicht am 10. 01. 2010, überarbeitet am 02.11.2011)




Genug der Lobhudeleien.
Es wird Zeit, den Spieß einmal herumzudrehen.

Ich habe bewiesen, daß ich meine Begeisterung mitteilen kann. Aber was ist mit der dunklen Seite der Macht?
Ist es möglich, genauso fundierte Verrisse zu schreiben (ob es irgendwann 15 werden, sei mal dahingestellt), zur Erbauung der Leserschaft, die ja- mir eingeschlossen- eigentlich viel lieber liest, wie auf etwas nach Herzenslust eingedroschen wird?
Die auch gerne darüber diskutiert, wenn es ein Album erwischt, das ihr am Herzen liegen mag, anstatt- wie bei den "15 Platten"- wohlwollend zu nicken, auch im Falle nicht nachvollziehbarer Lobpreisung?

Nun also Verrisse.
Um das Ganze nicht völlig beliebig zu gestalten, gibt es eine Bedingung:
Es sollte ein Album sein, das man zumindest einmal komplett gehört hat. Und da man es eigentlich kaum 15 Drecksplatten gibt, die man bis zum Ende durchsteht, werde ich die lose hier einstellen, je nachdem, was ich gerade wieder am Stück ertragen mußte.

Also fangen wir an, zuerst mal mit einem einfachen und dankbaren Opfer.


Erschienen: 1992

Erworben:
1992 in der Musicbox, Landau/Pfalz

Trackliste:

1. Smoked Pork
2. Body Count's In The House
3. Now Sports
4. Body Count
5. A Statistic
6. Bowels Of The Devil
7. The Real Problem
8. KKK Bitch
9. C Note
10. Voodoo
11. The Winner Loses
12. There Goes The Neighborhood
13. Oprah
14. Evil Dick
15. Body Count Anthem
16. Momma's Gotta Die Tonight
17. Out In The Parking Lot
18. Cop Killer


1992


war ein Jahr, in dem noch vieles anders war. Man selbst war gerade 19 geworden, ernährte sich vorwiegend von Brettmusik oder HipHop, hielt sich für linksautonom und diskutierte mit Viertel- bis Halbbildung engagiert über Politik, mit Argumenten, die heute eher peinlich berührtes Schweigen hervorrufen würden

Was die Musik anging, war es in der Szene, in der ich mich damals bewegte, nicht unbedingt üblich, HipHop zu hören.
Dennoch gab es eine kurze Zeit, in der es sowas wie einen Schulterschluß gab, bevor sich die Szenen komplett auseinanderdividierten, denn anfangs einte die Punk-/Alternative- und die gerade entstehende deutsche HipHop- Szene, -in der erstmals deutschsprachiger Rap im großen Stil produziert wurde, während sich frühere Crews hauptsächlich auf Breakdance und Graffiti spezialisiert hatten- in erster Linie der Haß auf die Rechte, die Anfang der 90er plötzlich so präsent war wie lange vorher nicht.
So lief eine zeitlang in Alternativeclubs tatsächlich eine heutzutage eigentlich nicht mehr denkbare Mischung aus Independent, Punk, Metal und HipHop, die dann auch Leute formte, die sich in diversen Genres zuhause fühlten, wie den Verfasser dieser Zeilen.

Andere schlossen sich zusammen und gründeten- ein tatsächlich reines End-80er/90er- Phänomen- sogenannte Crossoverbands, in denen zu Bratgitarren zumeist schlecht gerappt wurde, und die außer einigen RATM- Nostalgikern heutzutage niemand- ich wiederhole: NIEMAND- mehr hören will.
Ice-T mochte ich damals sehr, und ich halte "Power" und "O.G. Original Gangster" auch heute noch für gute Alben.


Also


flippte ich nahezu aus, als angekündigt wurde, daß er eine "Hardcoreband" namens Body Count gegründet habe und mit ihr demnächst ein Album veröffentlichen wolle. Ha! Klingen sollte das Ganze wie "NWA mit Gitarren". Ho! Und kurze Zeit darauf erblickte ich eine Werbeanzeige mit dem Cover in feinster Suicidal- Tendencies- Ästhetik. Hui!
Im Kopf überschlagen: Hardcore+ NWA+ publik gewordene Freundschaften zu Henry Rollins und Jello Biafra... da konnte nur eines der größten Alben der Menschheitsgeschichte dabei herauskommen. Mindestens.

Also bestellte ich es sofort im Plattenladen meines Vertrauens... und wurde noch länger auf die Folter gespannt, da es zu Lieferschwierigkeiten kam.
Derweil lief auf "MTV Headbanger's Ball" schonmal der düstere schwarz- weiß- Clip zu "There Goes The Neighborhood".
Mittlerweile gierte ich nach diesem Album, und eine quälend lange Zeit später hielt ich es endlich in den zitternden Händen, legte es zuhause in den CD- Player und fand es scheiße.

Nein, das wäre zu einfach: ich fand es damals bereits nicht gut, wollte es aber gutfinden, aufrecht und verzweifelt. Doch im Lauf der Zeit klappte dies immer weniger.

Dabei hätte ich gewarnt sein sollen. "Body Count", bereits auf "O.G." enthalten, war schon ein reichlich ideenfrei dahinstampfendes Stück Bolzrock mit garstigem Gitarrengegniedel, das wie eine gräßliche 70er- Band auf der Suche nach dem verlorenen Zeitgeist klang, dazu mit ausnehmend blödem Text.


Goddamn what a brotha gotta do
to get a message through
to the red, white and blue?
What I gotta die
before you realize
I was a brotha with open eyes?
The world's insane
while you drink champagne
and I'm livin' in black rain.
You try to ban the A.K.,
I got ten of 'em stashed
with a case of hand grenades.

Tell us what to do... Fuck you!
Tell us what to do... Fuck you!
Tell us what to do... Fuck you!
Tell us what to do... Fuck you!


Sogar in der an Plattheiten nicht immer armen Punkszene war das bereits ein schauriger Tiefpunkt und vom Anspruch, "Hardcore" zu machen, ellenweit entfernt.
Wie möchte jemand "Hardcore" machen, der zwar brav ein Black- Flag- T- Shirt trägt, aber ansonsten von der Materie nicht die geringste Ahnung zu haben scheint?
Doch das war ja noch nicht alles, es ging noch schlimmer.

War

"Body Count's In The House" damals ein noch durchaus passabler Tanzflächenfüller, bei dem man den Versuch, in einem Quasiinstrumental so oft wie möglich das Wort "Motherfucker" unterzubringen, vor dem Hintergrund, daß dies damals noch furchtbar provokativ war, nachsichtig belächeln kann, so geht einem das Lächeln beim ranzigen Herrenhumor von "KKK Bitch" und spätestens beim geradezu gruslig schlechten "Evil Dick" samt Fickimitation und gnadenlos dilettantischem Bolzteil endgültig verlustig.
Daß Männer Lieder über ihre Schwänze schreiben, mag ja beim NWA- Vergleich noch angehen. Aber die waren wenigstens noch lustig. Hier regiert höchstens die Fremdscham.

Der gnadenlos dilettantische Bolzteil darf auch das eh schon reichlich mäßige "Voodoo" und die tranige NY- Hardcore- Imitation "Body Count Anthem" kaputthauen, während "The Winner Loses" eine Ballade um einen drogensüchtigen Freund ist.
Eine Ballade. Wir wiederholen andächtig: eine Ballade.

"Singen kann ich eigentlich nicht, meine Stimme ist total flach", meinte Ice- T später dazu dann im SPEX- Interview.
Warum zur Hölle tut er es dann? Warum muß das auf Platte gepreßt werden?
Und warum tut eigentlich niemand etwas gegen Ernie C's schauriges Gitarrengewichse?
Stattdessen stellt man ihm mit "C Note" fast zwei Minuten zur Verfügung, in welchen er in bester Eunuchenmetalsolomanier sein Können zeigen kann. Das will man wirklich nicht wissen.
Und so reiht sich denn ein immer neuer Tiefpunkt an den nächsten, ein Konglomerat an Stumpfheit, blödem Gebolze, Gitarrengegniedel, doofen Texten und unwitzigen Witzen

Body Count. Unverdrossen machen sie immer noch weiter, in einem ungehörten Niemandsland, in dem auch Ice- T mit seinen letzten HipHop- Alben mittlerweile gelandet ist, und zwar ebenfalls zurecht.
Obwohl ein Teil der ursprünglichen Besetzung mittlerweile tot ist (der ermordete spätere [auf "Beat 'Em Up"] Iggy- Pop- Basser Mooseman und der Schlagzeuger Beatmaster V, der meines Wissens an Leukämie starb) wollen sie einfach kein Einsehen haben.

Dabei ist bereits "Cop Killer" ein Album für die Tonne, das bei mir keinerlei Nostalgie hervorruft und mir beim Wiederhören zwecks des Abfassens dieser Rezension körperliche und seelische Qualen bereitet hat.

Warum dieses Stück Müll dann immer noch ewig bei mir herumstand?
Die Story um den später entfernten Titeltrack dürfte bekannt sein, die Hoffnung auf damit verbundene Wertsteigerung des Originals auch. Erstaunlicherweise hat sich da in den letzten Jahren kaum was getan.

So schenkte ich es einem guten Freund von mir, der damit anscheinend richtig glücklich ist.
Zu irgendwas muß es ja gut sein.

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