Mittwoch, 2. November 2011

Verriß 2: R.E.M.: Out Of Time

(erstmals veröffentlicht am 29.03. 2010, überarbeitet am 02.11.2011)




Erschienen: 08. 03. 1991


Trackliste:


1. Radio Song
2. Losing My Religion
3. Low
4. Near Wild Heaven
5. Endgame
6. Shiny Happy People
7. Belong
8. Half A World Away
9. Texarkana
10. Country Feedback
11. Me in Honey

Würde ich

hier und jetzt behaupten, dieses Album, das ich schon lange und gerne entsorgt habe, noch voll und ganz rekapitulieren zu können, würde ich lügen.
Aber gerade das Faktum, daß ich nicht lügen kann und das Album tatsächlich höchstens dreimal gehört habe (was auch schon fast 20 Jahre her ist) sollte Bände sprechen und macht es definitiv zu einem würdigen Vertreter dieser abscheulichen Rubrik, auch wenn die Rezension aus dem angesprochenen Grund reichlich kurz ausfallen wird.


Denn


der 08.03. 1991 war der Tag, an dem eine meiner damaligen Lieblingsbands für mich starb. Hätten sich R.E.M. an jenem Tag kollektiv in eine Cessna gezwängt und wären im Sturzflug in den Lake Michigan oder sonstwohin gerauscht, es hätte mich wahrscheinlich weniger entsetzt als dieses Album.

Entdeckt hatte ich die Mannen um Michael Stipe ca. 1988, durch "The One I Love". Ich, der ich damals noch Geld für Platten von Queen und U2 ausgab und mir was weiß ich was auf meinen erlesenen Musikgeschmack einbildete (was ich heute wahrscheinlich immer noch tue), kaufte mir daraufhin zum Nice Price "Document" auf Vinyl und war hin und weg.
"It's The End Of The World (As We Know It)" als einsam funkelndes Juwel, dazu Hits wie "Oddfellows Local 151", "Lightnin' Hopkins" oder "Exhuming McCarthy".
Als nächstes folgten "Green", "Life's Rich Pageant" und das zähere "Murmur" in meine Sammlung, und ich hatte endlich eine neue Lieblingsband abseits des Mainstream, die in meinem Umkreis NIEMAND kannte.
Kurz bevor "Out Of Time" herauskam, folgte noch eine Bandbiographie auf Englisch, bei einem ansonsten vernachlässigbaren Mailorder (MALIBU, glaube ich) bestellt, die ich damals lesen wollte.
Aber dazu sollte es nicht mehr kommen, bis heute nicht... der schmale Band dürfte immer noch bei meinen Eltern zwischen den Willi- Heinrich- und Hera- Lind- Büchern meiner Mutter rumstehen und Staub fressen.

Denn was ich da am 08.03. 1991 heimtrug (sogar noch mit einer Bonus- 7" mit zwei Liveaufnahmen von "Turn You Inside Out" und hab ich vergessen ausgestattet), war ein steiler Abstieg. Da saß ich nun also vor der fossilen Stereoanlage meiner Eltern, lauschte kompletter Grütze und was sich Tage vorher an nahezu erotisch aufgeblasener Spannung in mir aufgebaut hatte, schrumpelte schon nach Seite 1 auf Mäusepimmelgröße zusammen.
"Radio Song" mit dem von mir später hochverehrten KRS- One, der aber in seiner langen Karriere schon so manchen Klops abgeliefert hat, begann, um Yellos Dieter Meier in anderem Zusammenhang zu zitieren, schonmal "wie gesalzener Pudding, da mischt sich gar nichts".
Gepflegter Rock- Pop und "Yo, Baby Baby Baby" wollen halt einfach nicht zusammen ins Bett, egal, wie man es herrichtet. Daß KRS dazu immerhin einen zusammenhängenden Vierzeiler knapp vor dem Fadeout rappen durfte, machte die Sache nicht schlüssiger.
"Losing My Religion" machte mir wiederum Hoffnung, klang es doch nach den R.E.M., die ich kannte... damals übrigens mit "Shiny Happy People" für mich der erträglichste Song der Platte und mittlerweile in diesem Doppelpack dermaßen abgenudelt, daß ich beides nicht mehr hören mag, wobei der Text von letzterem mir in seiner völligen Ironiefreiheit noch den Rest gibt.
Gab es damals schon Ecstasy?

"Endgame" war meines Erinnerns nach ein GRAUENHAFTES Quasi- Instrumental, dessen scheint's von Mike Mills intoniertes "Ba ba ba" und "Fa fa fa" die Butter im Kühlschrank ranzig werden ließ... und solcherart schwülstig, zugeseicht, sülzig und glibberig ging es voran bis zum lugubren Ende.

Ich erinnere mich, daß ich Trauer verspürte, als ich die Platte vom Teller nahm, im Bewußtsein, gerade einer Beerdigung beigewohnt zu haben.
Schlimmer war es nur noch, daß die Platte später kommerziell geradezu explodierte (gemäß Murphy's Law) und anschließend sogar mein geschmacksbefreitester Klassenkamerad, dessen furchterregende Cassettensammlung unter anderem Ricky King beheimatete, stolz sein R.E.M.- T- Shirt zur Schau trug und mich auch noch fragte, ob ich die kenne, sei doch eine Super- Band, gell?
Hölle und Finsternis.

Daß- nach über 15 Jahren Funkstille- R.E.M. mit "Accelerate" und danach mit "Automatic For The People" wieder in mein Leben zurückkehrten, ist eine andere Geschichte.
"Out Of Time" jedenfalls habe ich schon vor Jahren verkauft und auch heute noch, wenn ich die Platte irgendwo sehe, überkommt mich höchstens der Drang, mir die Hände zu waschen.
Ich weiß nicht, ob sie mir heute besser gefiele... aber dazu müßte ich sie mir nochmal anhören. Und da fallen mir gefühlt 1872 Dinge ein, die ich lieber täte, unter anderem, zwei Stunden lang eine Ananas zu betrachten oder meinen Kopf in einen Eimer voll Vanillepudding zu tauchen.

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